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»Wir fühlen uns als Waisen«

Rainier hat Monaco zum bedeutenden Wirtschaftsstandort gemacht

Monaco (dpa/Reuters). Mehr als 55 Jahre hat Fürst Rainier III. - seit langem als dienstältester Staatschef Europas - an der Spitze der kleinsten Monarchie der Welt gestanden. Bei seinen 32 000 Untertanen aus etwa 120 Ländern erfreute sich der weißhaarige Regent mit dem gepflegten Schnauzbart äußerst großer Beliebtheit.

Gestern um 6.35 Uhr erlag der 81-jährige Monarch nach langem Leiden einer schweren Lungen-, Herz- und Nierenerkrankung. »Fürst Rainier III. ist nicht mehr. Er wurde der Zuwendung der Seinen und seines Volkes entrissen«, erklärte Staatsminister Patrick Leclercq. »Er hat dem Fürstentum so seinen Stempel aufgedrückt, dass sich jeder hier als Waise empfindet.« Nun wende man sich in Treue dem neuen Fürsten Albert II. zu.
Frankreichs Staatspräsident Jacques Chirac betonte, der Fürst habe die »Schicksalsgemeinschaft« beider Länder symbolisiert. Er habe Monaco mit modernen Strukturen ausgestattet und gleichzeitig die traditionellen Elemente bewahrt. Prinz Albert sicherte er die Freundschaft seines Landes zu.
Herrscher über den 220-Hektar-Mini-Staat an der Côte d'Azur, so schrieb sich Louis Henri Maxena Bertrand Rainier als Baumeister und Weichensteller in die Geschichte ein. Obwohl er in den vergangenen zehn Jahren an Herz- und Lungenerkrankungen litt, hielt Rainier das Zepter fest in der Hand. Im Februar zeigte er sich das letzte Mal in der Öffentlichkeit, am 7. März wurde er mit einer Lungenentzündung in die Klinik eingeliefert. Die vergangenen 14 Tage wurde der Fürst auf der Intensivstation künstlich beatmet, Herz und Nieren mussten technisch unterstützt werden.
Unter Rainiers Führung entwickelte sich Monaco zum bedeutenden Wirtschaftsstandort. Doch die Welt der Grimaldis wurde auch von Tragödien und Skandalen überschattet. Einer der schwersten Schicksalsschläge traf die Familie im September 1982, als Rainiers Frau Fürstin Gracia Patricia bei einem Autounfall starb. Er hatte die Schauspielerin, die als Grace Kelly berühmt geworden war, am 18. April 1956 geheiratet. Das Paar bekam drei Kinder: Prinzessin Caroline (48), Thronfolger Albert (47) und Prinzessin Stephanie (40).
Die Boulevardpresse stürzte sich mit Vorliebe auf die Affären und Scheidungen der Töchter, die Rainier häufig großen Kummer bereitet haben sollen. Auch Alberts Junggesellentum ist bis heute ein Thema in den Klatschspalten.
Nach langen Jahren des wirtschaftlichen Aufschwungs in Monacos wurden Ende der 90er Jahre erste Anzeichen einer wirtschaftlichen Krise sichtbar. Die für den Staatshaushalt wichtigen Einnahmen aus Glücksspiel und Tourismus blieben hinter den Erwartungen zurück. Zudem setzten auch Vorwürfe, Monaco sei ein Hafen für Geldwäscher und Steuerhinterzieher, dem Image stark zu.
Bei der Parlamentswahl im Februar 2003 kam es zum ersten Machtwechsel in dem Fürstentum seit 40 Jahren, die Rainier nahe stehende Union Nationale et Democratique musste in die Opposition wechseln. Faktisch blieb aber das Fürstenhaus die entscheidende politische Instanz.

Artikel vom 07.04.2005