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»Dienstleister, nicht
ideologische Heimat«

Parteienforscher rügt die politische Klasse

Bielefeld (WB/bp). »Parteien sind schon lange nicht mehr ideologische Heimat und Sinngeber, sie sollten stattdessen Dienstleister sein für das Land.« Das sagte Parteienforscher Dr. Jürgen W. Falter (61) gestern auf Einladung des Liberalen Netzwerkes in Bielefeld.
Gast in Bielefeld: Prof. Jürgen W. Falter. Foto: Pierel

In seinem Vortrag beschrieb er das wachsende Misstrauen gegenüber den Parteien und ihrem Führungspersonal: »Die Mehrheit traut keiner Partei zu, Probleme zu lösen.«
Die Parteienverdrossenheit, aber damit nicht zwingend die Politikverdrossenheit steige an. Der Wähler habe parteipolitische Schaukämpfe ebenso wie Politiker satt, die »maximale Forderungen bei minimalen Erfolgsaussichten« stellten. Die Folge sei eine diffuse Systemkritik. Falter: »Den Parteien bricht die Basis weg, die Politik ist in der Rangfolge der Güter sehr weit unten anzutreffen.«
»Töricht« nannte Falter es, womöglich Wochen vor einer Wahl zu behaupten, sie sei schon gelaufen. Der Parteienforscher: »Der Wähler ist wetterwendisch, es gibt schnelle Reaktionen auf neue Personalangebote, dazu kommen die enormen Schwankungen bei der Wahlbeteiligung.«
Die Wähler erwarteten eine »Politik mit Augenmaß, aber auch eine Politik, die umkehrbar« sein müsse. Der Wähler wünsche sich »Führung, nicht nur immer neue Anpassung an die jeweilige politische Stimmungslage«. Die »politische Klasse« sei verzagt, es gebe kaum noch dauerhaftes politisches Engagement mit Parteienbindung. Die Menschen schlössen sich vielmehr Initiativen an, um ihre Interessen kurzfristig durchzusetzen und würden sich dann anderem zuwenden.

Artikel vom 07.04.2005