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Mehr »Gelebte
Christlichkeit«
in den Schulen

Kirchensoziologe Ebertz in Driburg

Bad Driburg (WB). Seit vielen Jahren sehen sich die christlichen Kirchen und damit auch die katholischen Schulen verschiedenen Krisen ausgesetzt. »Einen nachhaltigen Einfluss übt dabei die „Tradierungskrise“ aus, in der sich das Verhältnis der Jugend zur Kirche zu einem regelrechten „Traditionsabbruch“ ausgewachsen hat«, so Professor Ebertz im Rahmen seines Vortrages »Katholische Schule in der Gegenwart« in der Aula des Gymnasiums St. Xaver in Bad Driburg.
Professor Ebertz, Soziologe und Theologe an der Katholischen Fachhochschule Freiburg und Privatdozent an der Universität Konstanz, ist einer der führenden deutschen Kirchensoziologen. Der Referent erläuterte eindrucksvoll und streckenweise auch schonungslos die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen: So stünden für Jugendliche wichtige Sozialisations- und Erfahrungskontexte, wie beispielsweise Schule, Kirche, Freundeskreis, weitgehend unverbunden nebeneinander. Eine Beschränkung der gesellschaftlichen Rolle der katholischen Schulen als »einer der letzten Orte, an dem der Katholizismus noch gesichert werden kann«, werde nicht ausreichen. Vielmehr sei eine Neuorientierung notwendig.
Professor Ebertz skizzierte treffend und lebendig zahlreiche Wege, die die katholischen Schulen aus der Krise führen können und die darüber hinaus sogar als Chance begreifbar sind. Für Jugendliche könne beispielsweise die katholische Schule einen neuen Knotenpunkt im Netzwerk aus der Familie und dem Rest der Gesellschaft bilden. Maßgeblich sei ferner der Aspekt der Weitergabe des Glaubens durch »personale Interaktion«. So entstünden sittliche Werte durch Erfahrungen und würden weniger durch kognitive Weitergabe vermittelt.
Überdies müsse eine katholische Schule Rücksicht auf den in der Gesellschaft bereits vollzogenen Wandel von einer »Überlebensorientierung« der 50-er Jahre hin zu einer der heutigen gesellschaftlichen Realität angepassten »Erlebnisorientierung« nehmen. Kennzeichnend für diesen Wandel sei die »Ästhetisierung« der Jugendkultur, die vornehmlich durch Spontaneität, Spannung, Sinnlichkeit oder auch Stress geprägt ist. Zur Zeit werde der Katholizismus noch als unvereinbar mit diesen Leitbegriffen wahrgenommen. Demgegenüber solle die katholische Schule einen Ort der »Verbindung und des geschützten ästhetischen Experimentierens« bieten. In diesem Rahmen seien auch Angebote für religiös besonders Interessierte unabdingbar. Eine katholische Schule müsse in Zukunft verstanden werden als ein »Hochplateau für Qualifizierung«, wobei ausdrücklich das ehrenamtliche Engagement in den Blickpunkt der Förderung rücken müsse.
Ebertz fasste seine wegweisenden konzeptionellen Überlegungen unter anderem in einigen Thesen zusammen: Der Aufbruch in eine veränderte gesellschaftliche Realität sei für eine katholische Schule möglich, wenn diese neue Erfahrungsräume bereitstellen kann und der Gesichtspunkt der »gelebten Christlichkeit« in den Vordergrund rücke. Förderlich sei dabei die Kopplung von »Leistungs- und Liebesprinzip« in der katholischen Kirche. Grundsätzlich könnten diese Ziele nur im Rahmen einer eigenverantwortlichen »Selbstverpflichtung« erreicht werden.

Artikel vom 07.04.2005