07.04.2005 Artikelansicht
Ausschnitt Zeitungsausschnitt
Drucken Drucken

 

Zur Ziegenstation mit Schleife am Stert

Weiterer Teil aus der WV-Serie »Delbrück gestern und heute« - Die untere Lange Straße

Von Jürgen Spies
Delbrück (WV). In der in unregelmäßigen Abständen erscheinenden WV-Serie »Delbrück gestern und heute« geht es diesmal um die untere Lange Straße. In diesem Bereich hat sich das Aussehen der Stadt in den vergangenen Jahrzehnten recht stark verändert. Dem heutigen Bericht liegt eine Fotografie aus den 30er Jahren zugrunde.

Der Blick fällt zunächst links auf das Wohnhaus Vonderheide (Beiname Kaisers), heute Breimhorst. Links davon lag Kaisers Schmiede. »Ur«-Delbrücker Hans-Josef Wessels, der wieder die Informationen zu dieser Serie gab, erinnert sich, dass Vonderheides einen Sohn hatten, der fast überall nur »Kaisers Cäsar« gerufen wurde; »Cäsar« hatte ein Glasauge.
Das Fachwerkhaus nebenan gehörte Mertens (Steffens, Goldreichens, später im Besitz von Breimhorst). Mertens hielten Vieh, unschwer auf dem Foto daran zu erkennen, dass eine Milchkanne vor dem Haus steht.
Dahinter folgte, durch die Straßenverschwenkung nicht ganz zu sehen, das Haus Theodor Lewerken (heute LVM Brinkmeier); bei Lewerkens konnte man Haushaltsgeräte, Kolonialwaren, Stacheldraht und vieles mehr kaufen, hinten gab's einen Hofplatz samt Lager. Theodor Lewerken war ein Tüftler, der im Keller an Geräten schraubte und etwas erfinden wollte, »oder sogar 'was erfunden hat«, so Wessels. Im Haus wohnte unter anderem Anton Epping, ein Delbrücker Original, bekannt auch als Plünsch Tünnes, der bei Auto Epping Ziegen hielt. Musste er mit den Ziegen zum Bock, band er den Ziegen eine rote Schleife an den Stert, zog damit durch Delbrück bis zur Ziegenstation bei Hartmanns am Wiesenweg.
Durch die Straßenbiegung auf dem Foto nicht zu sehen sind weiter die Häuser Fraune (früher Gaststätte/Bäckerei/Lebensmittel Sagemüller), heute Goofies Grunewald, dann das Haus des Stellmachers Franz Hils sowie - schon an der Ecke Südstraße - ein Gebäude im Besitz des Wasserverbandes, bewohnt von der Familie Quinkert.
Dann schloss sich das Haus von Karl Epping, ebenfalls ein ortsbekanntes Original, an. Das Haus war mit Schiefer beschlagen, unter anderem wohnten dort Menken, Hils (Pitter) und Trösters Wilm.
Ganz hinten in der Bildmitte sieht man das große Anwesen von Landwirt Eduard Epping, der eine Zeit lang auch Kolonialwaren verkaufte. »Wenn man da die Tür aufmachte, wurde ein kleines, klimperndes Glockengeläut in Gang gesetzt«, kann sich Hans-Josef Wessels noch an Einzelheiten erinnern. Später wurde der Komplex abgerissen, Kaufmann Hans Pamme errichtete dort den »Wohncomfort«-Markt, der später und bis heute vom »dixi« (Marktkauf) genutzt wird.
Auf der gegenüberliegenden Straßenseite, weit in die Lange Straße hinein stadteinwärts, lagen noch viele Jahre später Ackerflächen.
Auf dem alten Foto erkennt man hinten rechts das Haus Richter (Schwanders) mit Treppe; hier wurden Tabakwaren verkauft, bewohnt war das Haus unter anderem von der Familie Fecke. Ein Haus weiter stadteinwärts: ebenfalls Richter (Josef Richter). Weiter geht's: Dort, wo heute »Radio Kersting« (Peitz) steht, läßt sich auf dem Foto gut der giebelständige Hof Kleine (Bendix Onkel) erkennen; später war hier zeitweise und ganz zu Beginn das Elektrogeschäft Bernhard Grothoff untergebracht.
Das zweieinhalbgeschossige Haus mit den beiden Bäumen auf dem Gehsteig gehörte Ignaz Koch (Dreggers; abgeleitet von Drechsler). Koch betrieb eine Schreinerei und war Vorsitzender der Stadtkapelle. Das Anwesen bewohnten in vergangenen Jahrzehnten unter anderem die Familien Brökelmann, Teigeler, Pappert, Pfeifer.
Rechts schließlich das Haus von Viehhändler Heinrich Strunz, genannt Ohlen Grüne (heute Grundmeier). Hier verlief die Grenze Dorfbauerschaft/Delbrück. »Der Sohn, Strunz Meinolf, war ein hervorragender Fußballer«, weiß Hans-Josef Wessels noch. In dem Haus wohnte außerdem Heinrich Hoss, ein »Mann vom Amt«, der Mitgründer des Reitervereins Delbrück war.

Artikel vom 07.04.2005