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Rüttgers: Nicht zu früh freuen,
aber der Rückenwind tut gut

»Hart arbeiten für mehr Arbeit in NRW« heißt die Devise bei der Union

Von Reinhard Brockmann
Düsseldorf (WB). Die ganz heiße Phase des Wahlkampfes in NRW steht bevor - und CDU-Spitzenkandidat Jürgen Rüttgers bleibt ganz cool.

Locker und aufgeräumt gibt er sich, wo immer er in diesen Tagen auftritt. Kann er auch, denn die Umfragen standen noch nie so günstig. Die CDU erhält allein so viele Punkte wie Rot und Grün zusammen. Dennoch vermeidet Rüttgers sorgsam den leisesten Eindruck, nach 39 Jahren SPD in NRW sei die CDU schon am Ziel. »Es ist schön mit Rückenwind« lässt er sich entlocken, mehr nicht.
»Arbeit, Arbeit, Arbeit« lautet die Themensetzung für den Wahlkampf und für die Zeit danach. Beim Thema Schule will man die SPD endlich stellen, gerade weil Ministerpräsident Peer Steinbrück selbst beharrlich schweigt. Aussagen von Bärbel Höhn (Grüne), wonach der Kabinettschef letztlich mehr zur Einheitsschule neige, lösten bei der Union prompt ein kollektives »Siehste!« aus.
In der Düsseldorfer CDU-Zentrale an der Wasserstraße rechnet man fest damit, »dass die SPD noch irgend etwas versuchen wird«, schon allein mit Blick auf Franz Müntefering. Immerhin habe die SPD mit dem Job-Gipfel auf dem Gebiet des politisch Machbaren ihr Pulver verschossen, heißt es. Was jetzt noch kommen kann, dürfte weniger staatsmännisch sein. Man richtet sich auf »Überraschungen« ein.
Ein Schattenkabinett von CDU und FDP, die inzwischen wechselseitige Koalitionszusagen getroffen haben, gibt es nicht. Es könnte aber in Häppchenkost bis zum 22. Mai gereicht werden. Allein Sozialexperte Karl-Josef Laumann steht als Arbeitsminister fest.
Wer Laumann als Schwergewicht gegen einen von der FDP zu stellenden Wirtschaftsminister sieht, könnte irren. Einflussreiche Köpfe in der Union glauben nämlich, dass die Liberalen mit Ingo Wolf als Innenminister ausreichend mit Schlüsselressorts versorgt sind.
Seinen Plan für die Zeit nach dem 22. Mai trägt Rüttgers jedenfalls glasklar bei mehr als 100 Wahlkampfauftritten vor. Am Wahlabend gelte es um 18.03 Uhr die Trendmeldung sehr freundlich zu kommentieren, aber bloß nicht zu erklären »Wir haben gewonnen«. Das müsse Zeit haben bis Hochrechnungen alles klarer machten. »Dann trinke ich ein Pils, ein Kölsch und ein Alt.« Am nächsten Morgen mit der 6.40 Uhr-Maschine nach Berlin, Blumenstrauß von der Parteichefin, sechs Tage feiern, danach ist Schluss mit lustig. Rüttgers: »Der Stoiber hat 20 Milliarden Schulden, wir mehr als 100 Milliarden, das ist der Unterschied.«
Erste Entscheidungen könnten ein neues Schulgesetz und ein neues Hochschulgesetz sowie erste wirtschaftspolitische Weichenstellungen sein, lässt sich der Oppositionsführer ein wenig in die ansonsten wohlgehüteten Karten schauen.
Das Zeitfenster für den neuen Kurs ist eng. Im Herbst 2006 soll Angela Merkel die Bundestagswahl mit neuem Schwung aus NRW gewinnen. »Wir geben dann zurück, was die Bundespartei jetzt der Landes-CDU an Hilfe gewährt.« Wahlkampfprofi Willi Hausmann, gerade noch in Kiel erfolgreich, sitzt jetzt an Rhein und Weser mit im Boot. Allein die Parteichefin absolviert 30 Wahlkampfauftritte in NRW, Generalsekretär Volker Kauder ist derzeit mehr in NRW als an der Spree und die Mobilisierung in der Partei gewaltig.
Zur Auftaktveranstaltung am Samstag in Oberhausen sind 6500 Mitglieder angemeldet. Allein aus Ostwestfalen gehen mindestens 15 Omnibusse auf die Reise. Bezirksgeschäftsführer Arnold Hildebrand: »Wir wittern Morgenluft.«

Artikel vom 06.04.2005