09.04.2005 Artikelansicht
Ausschnitt Zeitungsausschnitt
Drucken Drucken

 

Der Geist aus dem Computer

Sat1 auf den Spuren von Oscar Wilde - »Das Gespenst von Canterville«

Sat1, Samstag, 20.15 Uhr: Zum ersten Mal seit vier Jahrzehnten ist Oscar Wildes »Gespenst von Canterville« für das deutsche Fernsehen neu verfilmt worden. Die Grusel-Komödie, in der der Geist erstmalig eine im Computer erzeugte Figur ist, ist mit Klaus J. Behrendt, Armin Rohde und Saskia Vester prominent besetzt.
Begeistert Leser bis heute: Oscar Wilde.Foto: dpa

Bis heute begeistert Oscar Wilde (1854-1900) seine Leser. Literaturwissenschaftler bezeichnen den irischen Schriftsteller (»Das Bildnis des Dorian Gray«) als Dandy, der höchsten Luxus mit sprühendem Esprit und einer Prise Arroganz in sich vereinigte - eine schillernde Mischung, die auch heute noch anziehend wirkt.
Die Geschichte handelt von dem zehnjährigen Paul, der ein Problem hat: Der schüchterne Junge hat Angst - vor den grundsätzlichen Gefahren. Um ihm diese Angst zu nehmen, machen seine Eltern Jochen und Mona mit ihm und seiner Schwester Nele Urlaub auf dem einsamen Schloss Canterville in der schottischen Einöde.
In dem alten Gemäuer werden sie von dem spleenigen Schlossherrn Elliott MacQuarrie, der Haushälterin Miss Umney, deren Sohn John sowie Sir Simon von Canterville begrüßt. Das Gespenst, das vor 420 Jahren des Mordes beschuldigt und auf ewig verflucht wurde, freut sich über die Gäste. Endlich kann es mal wieder seiner eigentlichen Berufung des Spukens nachgehen. Paul freundet sich mit Sir Simon an und hilft ihm, den Fluch zu brechen.
Der Film hat sich von der literarischen Vorlage aus dem Jahr 1887 gelöst. In Oscar Wildes Erzählung muss sich das Mädchen Virginia mit dem Gespenst und den Unterschieden zwischen der amerikanischen und englischen Kultur auseinandersetzen. Der 90-Minüter hingegen ist von Pauls Suche nach Sir Simons Geheimnis geprägt und der Frage, ob man seine Liebe vergessen kann.
Dabei verkörpert der herausragende Martin Kurz kein Kind mit Kinderproblemen. Vielmehr zeichnet er das erstaunliche Porträt eines Kindes mit größeren Sorgen. Paul löst seine eigenen Konflikte, die seiner Eltern, die eines jahrhundertealten Geistes und führt sie zurück zum Wesentlichen - zur Liebe. Er wächst über sich hinaus und reift vom Angsthasen zum verantwortungsbewussten Jungen.
Erstmals verfilmte Jules Dassin 1944 die Erlebnisse des Gespenstes mit Charles Laughton. 30 Jahre später spukte David Niven durch das Schloss, 1986 John Gielgud, 1996 Patrick Stewart. Auch in Deutschland hat das Fernsehen unter der Regie von Helmut Käutner bereits eine eigene Version des Stoffes produziert (1964).

Artikel vom 09.04.2005