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Leitartikel
Rom regelt den Übergang

Das Ritual -
Fels in der Brandung


Von Reinhard Brockmann
Der verstorbene Papst Johannes Paul II. ist seit gestern 17 Uhr im Petersdom aufgebahrt. Gläubige aus aller Welt sollen von ihm Abschied nehmen können. Am Freitag wird er um 10 Uhr in der Krypta des Petersdoms beigesetzt. Mit diesen Beschlüssen der ersten Sitzung des Kardinalskollegiums nach dem Tod des Pontifex hat der Vatikan Signale gesetzt. Der Kirchenstaat ist arbeitsfähig.
Die schwierige Phase des Übergangs wird exakt nach den Jahrhunderte alten Regeln gestaltet. Allein der Beschluss zur Beisetzung unter dem Petersdom, wo auch sehr wahrscheinlich die Gebeine des ersten Papstes ruhen, beendet irritierende Spekulationen. Die aus polnischer Sicht nachvollziehbare, aber selbst nach kirchlichen Zeitvorstellungen überholte Form der Teilbestattung ist damit kein Thema mehr. Und das ist gut. Auch die inzwischen einsetzende Debatte über eine Selig- oder gar Heiligsprechung Johannes Pauls II. wird zunächst einmal ins Leere laufen.
Als Fels in der Brandung erweisen sich die Übergangsregeln. Die Tradition bildet einen schützenden Kordon um die Arbeitsgebiete in den kommenden Tagen und Wochen. Zu den vornehmsten Aufgaben der Kardinäle gehört die Vorbereitung der Trauerfeierlichkeiten. Das Regelwerk »Universi Dominici Gregis« legt Einzelheiten fest. Nur in diesem Rahmen dürfen sich die Beschlüsse bewegen. Auch wenn es am Freitag tatsächlich bis zu zwei Millionen Pilger sein werden, kann diese neue Form der Herausforderung den uralten Ablauf nicht wirklich beeinflussen.
Vor den Toren der Stadt Rom wird ein riesiger Campingplatz eingerichtet, der Flughafen Leonardo da Vinci beim Eintreffen der Staatsgäste aus aller Welt teilweise geschlossen. Ob jeder dann noch einen Blick auf die Beisetzung erhaschen kann, bleibt abzuwarten. Schon jetzt ist klar, dass Roms neuer Wallfahrtsort die Krypta unter dem Petersdom sein wird.
Ein zuverlässiges Traditionsgerüst regelt auch das sogenannte Konklave zur Wahl des neuen Papstes. Frühestens am Sonntag in einer Woche werden die 117 Kardinäle - bis auf drei wurden alle von Johannes Paul II. ernannt - zusammentreten. Die Beratung in der Sixtinischen Kapelle muss nicht zwei Jahre dauern, aber die Welt wird einige Tage staunend erleben, dass es noch letzte CNN-freie Zonen gibt.
Völlig unnötig ist im übrigen die Debatte darüber, was der Amtsnachfolger alles tun und lassen soll. In der Diskussion, an der sich Politiker aller Parteien und fast aller Nationen mit den unterschiedlichsten Argumenten beteiligen, spiegeln sich allein Wunschvorstellungen. Die Kardinäle und ihre künftigen Wunschkandidaten erreichen diese Forderungen überhaupt nicht.
Übrigens: Alle Spekulationen um einen »Übergangspapst« sind richtig. Es wird nicht nur einen nächsten, sondern auch einen übernächsten Papst geben, eines Tages - so Gott will.

Artikel vom 05.04.2005