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Wir lachten und weinten zugleich

Aus Briefen von Zwangsarbeitern

Bielefeld (dah). Zum 60. Jahrestag der Befreiung der Bielefelder Zwangsarbeiter durch die Alliierten hat das Theaterlabor Bielefeld zu einer ganz besonderen Benefizveranstaltung in die Räume am »Dürkopp Tor 6« geladen.

Unter dem Titel »Wir lachten und weinten gleichzeitig« lasen Therese Berger, Thomas Wolff und Lisa Wildmann aus Briefen ehemaliger Bielefelder Zwangsarbeiter. Dabei sollte die Lesung, die das Theaterlabor gemeinsam mit dem Verein »Gegen Vergessen - Für Demokratie« organisiert hatte, nicht der Diskussion um Entschädigungen dienen, sondern »persönliche Stimmen und Zeugenberichte zu Wort kommen lassen«.
Dies geschah in eindrucksvoller und teilweise beklemmender Weise. In ihren Briefen erzählten die Menschen von ihren ganz persönlichen Erinnerungen an die Schrecken des Krieges, das Glück ihrer Befreiung und die teilweise zwiespältigen Gefühle bei der Rückkehr in die Heimat. Und sie beschrieben ihr Leben als Zwangsarbeiter: den harten Arbeitstag von zwölf Stunden, den langen Fußmarsch zurück zu ihren Unterkünften - Baracken, die sie mit 14 Personen bewohnten -, die spärlichen Essensrationen und die Peitschenschläge, mit denen man sie für Fehler oder ein nicht erfülltes Arbeitspensum bestrafte.
Aber es gab auch andere Beschreibungen: hauptsächlich von Menschen, die nicht in den Fabriken, sondern auf kleinen Bauernhöfen oder in kleinen Betrieben gearbeitet hatten. Sie sprachen von »Hausherren«, die gut zu ihnen gewesen waren, ihnen bei ihrem Aufbruch in die Heimat Kleider geschenkt oder mit ihnen im Gasthaus Billard gespielt hatten.
Dennoch zogen sich Angst, Furcht und die Unwissenheit, was mit ihnen geschehen würde, wie ein roter Faden durch alle Briefe. Die Schrecken des Krieges, noch dazu erlebt in einem fremden Land als Zwangsarbeiter, hatten Spuren hinterlassen. Eine Frau schrieb: »Ich habe bis heute eine schmerzhafte Wunde in meiner Brust, ich werde den Krieg nie vergessen.«
Es sei ein solcher Schrecken gewesen, dass man die Lust am Leben verlor. Und auch als sie endlich in ihre Heimat zurückkehren konnten, waren die Schrecken für viele ehemalige Zwangsarbeiter noch nicht vorbei. Ein Mann beschrieb in seinem Brief, dass man sie bei ihrer Rückkehr »in der Sowjetunion nicht als Opfer, sondern als Verräter« angesehen habe. Ein anderer erinnerte sich, dass in seinem Haus fremde Menschen lebten und er noch einmal »ganz von vorn anfangen musste«.
Bei ihrer Befreiung hätten sie noch nicht gewusst, was sie Zuhause erwarten würde. Aber auch rückblickend sei es »der glücklichste Tag des Lebens« gewesen. »Wie neugeboren« hätten sie sich gefühlt, getanzt und Lieder gesungen - „wir lachten und weinten gleichzeitig«.

Artikel vom 04.04.2005