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Radomir Dalovic lässt
seinen Gefühlen freien Lauf

Zeugwart Obarcanin legt sich für den Serben ins Zeug

Von Hans Peter Tipp
Bielefeld (WB). So dynamisch hatten die 24 092 Zuschauer in der SchücoArena Radomir Dalovic nicht in Erinnerung. »Wie eine Rakete«, schwärmte Asim Obarcanin, Zeugwart des Fußball-Bundesligisten Arminia Bielefeld, sei der Serbe nach dem Treffer zum 1:0-Sieg gegen Bayer Leverkusen auf ihn zugerast gekommen.

Der Zusammenprall des normalerweise recht standfesten Betreuers mit dem erstmals von Anfang an für Arminia spielenden Angreifer brachte beide aus dem Gleichwicht. Fast eine ganze Minute lang wälzten sich die beiden Balkanbürger auf dem Spielfeld in unmittelbarer Nähe der Trainerbank.
Weder der in der Nähe mit der Fahne wedelnde Linienrichter, noch sonst irgendwer schien die beiden Landsleute in diesem Leben noch einmal trennen zu können. Der entfesselte Obarcanin, der schon dem herannahenden Menschengeschoss immer wieder den wackelnden Zeigefinger entgegengestreckt hatte, zappelte bei diesem in Bielefeld bislang selten gesehenen Ritual immer wieder mit den Händen und Beinen - wie ein Maikäfer in Rückenlage. Der berauschte Dalovic wollte die lieb gewonnene Bauchlage scheinbar nie wieder verlassen.
Erst wesentlich später entwirrte sich das Menschenknäuel auf wundersame Weise, und die Protagonisten konnten unverletzt zu ihren angestammten Plätzen zurückkehren: Dalovic auf das Spielfeld, Obarcanin auf die Bank.
Die gelebte Freude galt nicht nur einem perfekten Angriff: Dalovic deutete in der Mitte an, wohin er von Ervin Skela den Ball serviert haben wollte. Dann verschaffte sich der Serbe mit einer Körpertäuschung den Platz, den er benötigte, und schoss die Vorlage direkt mit links aus 15 Metern ins lange Eck.
Doch Dalovic' Freilauf der Gefühle hatte auch andere Gründe: Der 22 Jahre alte Serbe, mit der U 21 seines Heimatlandes Vize-Europameister, hatte seit seinem Winterwechsel auf Leihbasis von NK Zagreb nach Bielefeld noch kein Bein auf die Erde bekommen. In drei Kurzeinsätzen hatte er bislang nichts zu Erfolg oder Misserfolg beitragen können. Arminias sprachkundiger Zeugwart den (noch) nicht Deutsch sprechenden Profi unter seine Fittiche genommen. Auch die erste Halbzeit gegen Leverkusen war wieder »total daneben gelaufen«, wie Dalovic befand. Doch dann traf er, und da gab es kein Halten mehr. »Ich habe mich damit bei Asim bedankt, weil er mir immer geholfen hat«, ließ Dalovic via Zeugwart dolmetschen.
Der ergänzte bei seinen ersten landesweiten Fernsehauftritten: »Er hatte mir nachmittags gesagt: Ich spiele, schieße ein Tor und wir gewinnen 1:0. Und das Tor ist nur für dich.« Trainer Uwe Rapolder glaubt jedoch eher an die fußballerischen als an die prophetischen Gaben seines Stürmers: »Er hat im Training einen aggressiveren und torgefährlichen Eindruck gemacht als seine Konkurrenten. Deshalb hat er gespielt.« Das erwies sich als Glücksgriff, und darum strahlte auch Rapolder nach dem Spiel: »Mich freut es für den Jungen. Er hat eine harte Zeit durchgemacht und nie aufgegeben.«

Artikel vom 04.04.2005