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Reisepapst, Friedensmahner
und treuer Glaubenshüter

Johannes Paul II. hat die katholische Kirche entscheidend geprägt

Rom (dpa). Kaum ein anderer Papst der Neuzeit hat die römisch-katholische Kirche so stark geprägt wie Johannes Paul II. Millionen Gläubige jubelten ihm in aller Welt zu, er half mit beim Fall des Kommunismus - und verurteilte später den sozial ungerechten, sogenannten Turbo-Kapitalismus.In seiner alten Bischofsstadt im polnischen Krakau putzen diese beiden Frauen das Denkmal des verstorbenen Papstes heraus.
Er versuchte 2003 den Irakkrieg zu verhindern, beklagte Ausbeutung und Armut in der Dritten Welt und trieb die Versöhnung mit den Juden voran. Er wollte die »Stimme der Stummen« sein, sagte Karol Wojtyla einmal über sich selbst - der Mann aus Krakau nannte das Unrecht der Welt konsequent beim Namen. Dafür wurde er viel gelobt. Dagegen stieß sein starres Festhalten an konservativen theologischen Grundsätzen im Westen auf Unverständnis selbst innerhalb der Kirche.
Besonders mit seinen 104 Auslandsreisen machte er die Kirche in der Weltöffentlichkeit wieder präsent. Ob Kubas Staatspräsident Fidel Castro, der ehemalige Sowjet-Führer Michail Gorbatschow oder US-Präsident George W. Bush - selbstbewusst trat der charismatische Pole den Mächtigen entgegen, verlangte Menschenrechte, Demokratie und die Abkehr von Gewalt und Krieg. Vor allem aber machte er Gläubigen wie Laien klar - die Kirche will beim Gang der Welt ein Wort mitreden.
Am 18. Mai 1920 in einfachen Verhältnissen in der Kleinstadt Wadowice in der Nähe von Auschwitz geboren, verlor Wojtyla schon früh beide Eltern. Er wuchs strenggläubig auf. Zunächst studierte er polnische Literatur. Der Sinneswandel zum Priesteramt reifte im Zweiten Weltkrieg. 1942 tritt Wojtyla in ein verbotenes Priesterseminar in Krakau ein. 1946 lässt er sich im Untergrund zum Priester weihen. Später wurde er Bischof in Krakau, 1967 Kardinal.
Als am 16. Oktober 1978 der damals 58 Jahre alte Krakauer Kardinal zum Papst gewählt wird, ist das eine Sensation: Zum ersten Mal führt ein Slawe die römisch-katholische Weltkirche. Erstmals seit 450 Jahren nahm kein Italiener auf dem Papststuhl Platz. Schon bei seinem ersten Besuch in der polnischen Heimat 1979 machte er klar, dass sich eine Wende anbahnt. Schützend hielt er die Hand über die oppositionelle Gewerkschaftsbewegung. Historiker heben später seinen Beitrag zum Fall des Kommunismus hervor.
Die vergangenen Jahre wurden für den auf den Rollstuhl angewiesenen Parkinson-Kranken immer mehr zur Qual - seit Februar mit Krankenhausaufenthalten, Luftröhrenoperation und Ernährung per Magensonde. Einst war der Pole der erste Papst, der Ski fuhr und wanderte. Ein Attentat im Mai 1981 auf dem Petersplatz mit mehreren lebensgefährlichen Pistolenschüssen versetzte ihm einen ersten gesundheitlichen Schlag.
Ob Sexualmoral, Geburtenkontrolle, Abtreibung oder beim Thema Zölibat und Frauenpriester - innerkirchlichen Reformern hat der Pole immer wieder eine Absage erteilt. Auch Kirchenvolksbegehren wie in Deutschland ließen ihn nicht wanken. Ende der 90er Jahre kam es zum offenen Dissenz mit deutschen Bischöfen wegen der Schwangeren-Konfliktberatung. Noch im Jahr 2003 stieß er viele Gläubige vor den Kopf, weil er einem gemeinsamen Abendmahl von Katholiken und Protestanten ein klare Absage erteilte.
Tiefen Eindruck machte im Jahr 2000 Johannes Pauls »Mea Culpa« in Jerusalem, die Vergebungsbitte für die Sünden der Kirche. Kraftvoll seine Gesten: Als erster Papst besuchte Johannes Paul eine Synagoge und eine Moschee und lud erstmals die Weltreligionen zum gemeinsamen Friedensgebet nach Assisi.
Seine Prognose: Nicht die krisengeschüttelten Kirchen in Europa und den USA, sondern die »jungen Kirchen« in Asien, Afrika und Lateinamerika werden die Zukunft der katholischen Weltkirche prägen.

Artikel vom 04.04.2005