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Kanzler riskiert Bruch der Koalition

Schröder hält an Aufhebung des EU-Waffenembargos gegen China fest

Berlin (dpa). Das starre Festhalten des Bundeskanzlers Gerhard Schröder (SPD) an einer Aufhebung des EU-Waffenembargos gegen China belastet zunehmend die rot-grüne Koalition. Führende Grünen-Politiker protestierten am Freitag erneut gegen Schröders Vorstoß und seine Ankündigung, sich notfalls über das Votum des Bundestags hinwegzusetzen.
Bundeskanzler Gerhard Schröder in der »Verbotenen Stadt« in Peking. Insgesamt sechsmal war er als Regierungschef in China. Foto: dpa
Kritik kam auch aus der Wirtschaft an Schröders Gegenposition zu den USA. Zudem erklärte der Bundesverband des Deutschen Groß- und Außenhandels (BGA), die deutsch-chinesischen Handelsbeziehungen litten nicht unter dem Embargo. Nur Brandenburgs Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) unterstützte Schröder.
Der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Europaparlament, Elmar Brok (CDU/Bielefeld), sagte, sein Gremium werde am Dienstag das Embargo bekräftigen. Er sei überzeugt, dass der US-Kongress Handelssanktionen gegen Deutschland beschließen werde, wenn Schröder bei der Haltung bleibe, sagte Brok.
Die Grünen-Vorsitzende Claudia Roth forderte Schröder zum Umdenken auf. An dem Bundestagsbeschluss vom vorigen Oktober über alle Fraktionen hinweg sei lange gefeilt worden - auch unter Beteiligung der Regierung. »Eine Aufhebung würde in China nicht die Kräfte mobilisieren, die in Richtung Demokratisierung marschieren, sondern eher im Gegenteil.«
Schröder hatte angekündigt, er werde sich in dieser Frage notfalls auch über den Bundestag hinwegsetzen, weil er laut Grundgesetz die Richtlinien in der Außenpolitik bestimme. Daraufhin brach quer durch alle Fraktionen ein Sturm der Entrüstung aus. Die Grünen- Europaabgeordnete Angelika Beer sagte, der Kanzler gehe »den Bruch der Koalition« ein. »Das ist ein Amoklauf.«
Der Grünen-Europaabgeordnete Daniel Cohn-Bendit erklärte, Schröder »handelt so wie Helmut Kohl damals auch gehandelt hat. Wenn man Bundeskanzler ist, wenn man das Reich der Mitte vor Augen hat und damit die unglaublichen ökonomischen Möglichkeiten, dann fängt man an zu schielen.« Juso-Chef Björn Böhning meinte, Schröders »Alleingang« sei unvertretbar.
Die CDU-Bundestagsabgeordnete Katherina Reiche sagte: »Angesichts anhaltender schwerer Menschenrechtsverletzungen wäre eine Aufhebung des Waffenembargos gegen China ein fatales Signal.« Zudem seien 600 Mittelstrecken- und Kurzstreckenraketen Chinas auf Taiwan gerichtet. Wer in dieser Lage Waffen liefern wolle, handele verantwortungslos. Außerdem: »Solange das amerikanische Waffenembargo bestehen bleibt, ist es so, dass ein Unternehmer, der dagegen verstößt, automatisch von Kooperationen mit amerikanischen Firmen ausgeschlossen wird.«
Der europäische Rüstungskonzern EADS fordert laut TV Sender XXP eine einvernehmliche Lösung zwischen Europa und den USA. Der von EADS in den USA erzielte Umsatz sei wesentlich größer als in China, sagte EADS-Vorstand Manfred Bischoff. EADS wolle die geschäftlichen Chancen in den USA keinesfalls aufs Spiel setzen.
BGA-Präsident Anton Börner erklärte, der Handel mit China würde sich auch mit Embargo weiter gut entwickeln. Jürgen Heraeus, Vorsitzender des Arbeitskreises China der deutschen Wirtschaft, bemängelt dagegen, das Embargo erschwere den Export so genannter »Dual-use«-Güter - also ziviler Produkte, die auch militärisch nutzbar sind. Damit blieben europäische Firmen etwa bei der Auftragsvergabe für die Sicherheitsvorkehrungen bei den Olympischen Spielen in China 2008 außen vor.

Artikel vom 02.04.2005