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Kinder spielen eine Märchenoper

»Pollicino« von Hans Werner Henze hat am 7. April Premiere in der Stadthalle Gütersloh

Von Thomas Strünkelnberg
Gütersloh/Heek (dpa). »Wenn man es kann, ist es leicht«, sagt der zehn Jahre alte Michael selbstsicher. So sorglos sind aber nicht alle jugendlichen Darsteller der Märchenoper »Pollicino« von Hans Werner Henze. Am 7. April feiert die Produktion der Landesmusikakademie NRW Premiere in der Gütersloher Stadthalle.

Dann werden Däumling Pollicino und seine sechs Brüder in den Tiefen von Henzes Märchenwald wie Hänsel und Gretel ausgesetzt und in die Furcht erregenden Fänge des Menschenfressers Fürchterlich getrieben.
Henzes Meisterstück nach Märchen der Brüder Grimm, von Collodi und Perrault und mit exotischen Instrumenten wie Steel Drums oder Streichpsalter ist - von wenigen Profi-Partien abgesehen - von Kindern zu bewältigen. »Es ist schon eine Herausforderung«, meint der elf Jahre alte Maximilian, der wie Simon die Hauptrolle Pollicino singt. Die zwölfjährige Michelle in der Rolle der Clotilde, der Tochter des Menschenfressers, muss sich erst an das gleichzeitige Spielen und Singen gewöhnen. »Im Chor habe ich immer nur gestanden, jetzt kommt die Bewegung dazu.« Ihre Rollenkollegin Anna Laura (11) findet, »selber zu singen macht mehr Spaß, als im Theater zu sitzen«.
Das soll es auch, denn genau das wollte Henze, als er »Pollicino« 1979 und 1980 einer jugendlichen Laientruppe im italienschen Montepulciano auf den Leib schrieb. Schon Kinder im Alter von 10 bis 12 Jahren sollten das turbulente Werk bei solider musikalischer Ausbildung singen und spielen können. Henzes »Pollicino« sei »Modell geworden für das, was Kindertheater sein kann«, sagt Ernst Leopold Schmid, Leiter des Projekts und Direktor der Landesmusikakademie im münsterländischen Heek. Kinder und Erwachsene, Amateure und Berufsmusiker seien gemeinsam auf der Bühne und im Orchester.
»Wir müssen in Deutschland etwas dafür tun, dass Kinder wieder mehr singen«, betont Schmid. »Mann kann überall beobachten, dass Kinder viel zu wenig singen, vor allem Jungen.« Zwar werde Musiktheater in der Schule behandelt, beschränke sich aber meist auf die »konfektionierte Musiksprache« des Musicals.
Doch Henzes Oper ist nicht einfach zu bewältigen. »Henze hat es uns nicht leicht gemacht, niemand ist einen Moment unterfordert«, sagt Dirigent Joachim Harder. Siegmund Bothmann, Kirchenmusikdirektor der Martin-Luther-Kirche Gütersloh und Leiter der Choralsingschule, aus deren Reihen die Darsteller stammen, bestätigt: »Sowas Schwieriges haben wir noch nie gemacht.«
Im Ringen um das Opernpublikum von morgen soll die Produktion auch auf Reisen gehen, kündigt Schmid an. Nach der Premiere seien weitere sieben Aufführungen in Gütersloh, Marl, Bocholt und Münster geplant. Nach Angaben von Regisseur Michael Hoffmann sind die Kinder seit Probenbeginn Ende Januar begeistert eingestiegen. »Ich kann in der kurzen Zeit keine großen Schauspieler aus ihnen machen, aber ich kann doch viel aus ihnen herausholen«, sagt er. »Manchmal muss ich ihnen sagen, wo das Publikum sitzt und für wen man spielt.«
»Früher war es so: Singen ist für Mädchen, da habe ich gar nichts von gehalten«, sagt Simon. »Schade, dass es vielen so geht.« Häufig seien die Klasse und die Mitschüler ein Problem: »An die Kommentare muss man sich erst gewöhnen«, meint Michelle. Doch Maximilian ist optimistisch. »Jetzt beneiden mich alle, dass ich in der Zeitung stehe und die Hauptrolle singe.«(Weitere Aufführungen: 10., 11., 12., 13. April in Gütersloh.

Artikel vom 04.04.2005