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Farblose
Farbenstädter

Leverkusen: »Auge« war bedient

Von Hans Peter Tipp
Bielefeld (WB). 87 Minuten waren in der SchücoArena gespielt, da ließ Leverkusens ohnehin viel zu aggressiv auftretender Mittelfeldmann Robson Ponte seinem aufgestauten Frust freien Lauf. Der Brasilianer redete nach einem fairenÊ Tackling von Rüdiger Kauf so vehement auf den Schiedsrichter ein, dass er sich dafür die gelbe Karte abholte.

Genau diese Szene hatte Bayer-Trainer Klaus Augenthaler bei der 0:1 (0:0)-Niederlage ganz genau beobachtet. Sie ging ihm auch bei der Pressekonferenz noch immer nicht aus dem Kopf, weil sie so deutlich den Unterschied zwischen Siegern und Verlierern an diesem Tag aufzeigte.
»Das war ein Spiegelbild unserer Leistung«, sagte der Fußball-Weltmeister von 1990 und wurde dann ironisch: »Wir, die großen Leverkusener, werden attackiert von den kleinen Bielefeldern. Wie können die das wagen?«, versetzte er sich öffentlich in die vermeintliche Gedankenwelt seiner Spieler, ohne eine solche Sicht der Dinge auch nur im Geringsten nachvollziehen zu können.
Aber nicht alle - am Samstag - farblosen Spieler aus der Farbenstädter gingen so mit einer nicht eingeplanten Niederlage um. Carsten Ramelow beispielsweise, als Nationalspieler stets ein viel gescholtener Schönredner, gab offen zu, dass Leverkusen mit solchen Vorstellungen von internationalen Ambitionen wohl bald Abstand nehmen müsse: »Da müssen wir schon viel Glück haben, um uns überhaupt für den Uefa-Cup zu qualifizieren.«
Er suchte gar nicht nach mildernden Umständen: »Zu wenig gemacht, zu wenig getan - in der zweiten Halbzeit überhaupt nicht so gespielt, wie wir uns das vorgestellt haben«, sagte der blonde Ex-Internationale, am Samstag in Bielefeld zusammen mit seinen Abwehrkollegen noch einer der besseren Leverkusener.
Während der gesamten Spielzeit brachten sie nur eine nennenswerte Torchance -ÊHain klärt gegen Berbatov (81.) - und einen spektakulären, aber letztendlich ungefährlichen Fallrückzieher von Andrej Voronin (14.) zu Stande.
Das trieb Trainer Klaus Augenthaler, der eigentlich erneut die Champions League erreichen wollte, auf die Palme: »Anscheinend haben die Spieler nicht kapiert, worum es geht. Für einige scheint derzeit die Nationalmannschaft wichtiger zu sein als Bayer.« Doch seinen Stars will er künftig nicht mehr schonen: »Ich werde keine Rücksicht mehr auf Namen nehmen«, kündigte »Auge« an: »Ich habe einige dahinter, die hungrig sind.« Seinen 17 Jahre alten Verteidiger Gonzalo Castro bezeichnete er in Bielefeld als seinen »besten Spieler«. Das war allerdings übertrieben.

Artikel vom 04.04.2005