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Der lange Abschied des Harald Juhnke

Schauspieler und Entertainer starb im Alter von 75 Jahren - letzte Jahre demenzkrank

Von Ingo Steinsdörfer
Berlin (WB). Es war ruhiger um ihn geworden in den vergangenen Monaten. Die Welt des Boulevards hatte sich daran gewöhnt, dass eine ihrer Galionsfiguren keine Schlagzeilen mehr lieferte. Und so ging er, der den großen Auftritt sein ganzes Leben lang geliebt hatte, jetzt ganz leise. Harald Juhnke hat die Rolle seines Lebens zum Ende gebracht. Das Gehirn seit Jahren vom Alkohol zerstört, verließen nun auch den Körper die Kräfte. Er wurde 75 Jahre alt.

Gerade die letzten Jahre vor dem finalen Delirium, das im Dezember 2001 die Einweisung des Demenzkranken in ein Pflegeheim nötig machte, hatten ihm noch einmal riesige Erfolge gebracht. Das Publikum zog in den 90er-Jahren den Hut vor seiner Leistung als Charakterschauspieler, etwa im »Hauptmann von Köpenick«, in »Der Papagei« oder in »Schtonk«. Geliebt war er als TV-Serienheld, wo er den »Drei Damen vom Grill« zu Seite stand, als Komiker in den Sketch-Reihen »Harald und Eddi« mit Eddi Arent und »Ein verrücktes Paar« mit Grit Boettcher.
Harald Juhnke sah sich als »deutscher Frank Sinatra«, wenn er durch große Sendungen wie »Musik ist Trumpf« führte oder sein Gesangspotential in der »Harald Juhnke Show« bewies. Gemeinsam mit der Anfang März verstorbenen Brigitte Mira und dem bereits 2003 für immer abgetretenen Günter Pfitzmann zählte er zur erfrischenden Gattung der »Berliner mit Herz und Schnauze«.
Auf geradezu erschreckend überzeugende Weise aber spielte er 1995 die Hauptrolle im Fernsehfilm »Der Trinker« nach Hans Fallada. Er gab den Erwin Sommer, wie ihn wohl nur einer geben konnte, der schon einmal hinter diese Tür geblickt hatte, die sich dann irgendwann für immer schließt. Publikum und Kritik waren begeistert.
Nur fünf Jahre später war seine Erinnerung an diesen Höhepunkt seines Schauspielerlebens ausgelöscht. Stattdessen wähnt er sich im Heim in Fredersdorf vor den Toren Berlins wohl bis zuletzt bei den Dreharbeiten für einen neuen Streifen, den es nur noch in seiner, längst von der Außenwelt unberührten Phantasie gab.
50 Jahre währte seine Künstler-Karriere, an deren Anfang launige Kino-Klamotten an der Seite von Heinz Erhardt & Co. standen. Doch es waren keineswegs nur die letzten Jahre, in denen Familie und Kollegen regelmäßig um alkoholbedingte Totalausfälle bangen mussten. Harald Juhnke verlor deshalb bereits 1981 »Musik ist Trumpf« beim ZDF und andere Engagements beim Fernsehen und auf der Bühne. Doch letztlich gelang es dem Charmeur immer wieder, seine Krankheit herunterzuspielen. Oder damit zu kokettieren: »Barfuß oder Lackschuh«, wie einer seiner Erkennungssongs hieß. So wie jeder Alkoholiker seine Umgebung lange zu blenden versteht, versprach er: »Das war das letzte Glas!« Warb mit Augenzwinkern gar für Mineralwasser.
Seine Frau Susanne schrieb nieder, durch welche Höllen beide in jenen Jahren 100 Mal wanderten. Eine Ehe, an der sie selbst beinahe zerbrach, die auch für ihrer beiden Sohn Oliver mehr Belastungen brachte, als man sich außerhalb der feudalen Villa im Berliner Grunewald vorzustellen vermochte. Nachzulesen in den Memoiren, die im Herbst 2003 erschienen. Manch einer der »alten Freunde« schalt Susanne Juhnke dafür. Gleichwohl ist es ein Lehrbuch für alle, die in der Alkoholsucht ein »Kavaliersdelikt« sehen wollen.
In den letzten Jahren seiner »Sieben Leben«, wie Juhnke seine eigenen Memoiren von 1998 nannte, waren es schließlich vor allem die Alkoholexzesse, die ihn in die Schlagzeilen brachten. Bis hin zu dem letzten schweren Zusammenbruch im Sommer 2000 nach Dreharbeiten in Baden bei Wien. Alles ärztliche Können und Mühen einschließlich dessen seines Sohnes Peer aus erster Ehe konnten den damals 70-Jährigen nicht mehr zurückholen. Die längste Zwangspause seiner Karriere, wie es zunächst noch hieß, führte in das Pflegeheim.
Harald Juhnkes Ende kam nun zwar plötzlich, aber keineswegs unerwartet. Was bleibt ist die Erinnerung an einen beinahe genialen Bühnenkünstler , der an sich selbst gescheitert ist.

Artikel vom 02.04.2005