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Leitartikel
Was ist und was bleibt

Kraft, die
aus der Seele kommt


Von Rolf Dressler
Das Sterben und der Tod, so heißt es zu Recht, seien immer auch Teil des Lebens. Untrennbar. Unausweichlich. Gottgegeben.
Doch wahr ist und bleibt auch dies: Selbst der schwache oder geschwächte Mensch, von eigenen Gnaden zur »Krone der Schöpfung« erhoben und dennoch in vielem unvollkommen und für Anfechtungen anfällig, hängt mit oftmals unbändiger Kraft an seinem diesseitigen Dasein, an seiner kleinen, großen irdischen Existenz.
Deshalb würde die Mehrheit das Ende, den Abschied wohl am liebsten aus dem Bewusstsein verdrängen, solange es irgend geht. Folglich sind nur vergleichsweise wenige Menschen von einem stetigen, tiefgründigen Nachsinnen über das Werden, Wachsen und Vergehen im Sinne des Wortes »beseelt«.
Einer, der zu unserer Zeit in die- ser Hinsicht in besondere geistliche und geistige Höhen aufgestiegen ist, trägt den Namen Karol Wojtyla. Bemerkenswert genug, dass vor kurzem sogar der kir- chenkritische »Spiegel« den aus Polen gebürtigen Johannes Paul II. zum »Jahrtausend-Papst« erhob - und ihn im selben Atemzuge gar für »unsterblich« erklärte.
Daraus spricht mehr als nur ho- her Respekt, nämlich außergewöhnliche Anerkennung, Wertschätzung, ja, Verehrung.
Ergreifende Bilder gaben der Welt in den zurückliegenden Tagen und Wochen beredt Zeugnis davon, wie dem Oberhaupt der katholischen Christenheit die Kräfte schwanden. Aber gerade das hat ungezählte Menschen, Jüngerere und Ältere, ob praktizierend gläubig oder nicht, offenbar dazu bewegt, (wieder) in sich selbst hineinzuhorchen. Genauso wie Johannes Paul II. es jedermann, ob bekennender Christ oder nicht, aufgrund seiner eigenen Gotteserfahrungen seit mehr als einem Vierteljahrhundert immer wieder anempfahl - und dafür hart kritisiert, teils unflätig gescholten oder sogar mit Häme und Spott überzogen wurde.
Was eigentlich lässt sich ernsthaft dagegen ins Feld führen, dass der Mensch sich unheilvoll verrennt, wenn er »allein, ohne Gott, darüber entscheiden wlll, was gut und böse ist«, fragte Johannes Paul II. ungezählte Male.
- Und: Verwüstete denn nicht genau diese Gottesferne das 20. Jahrhundert und das Gewissen zahlloser Menschen?
- Waren die widerwärtig »perversen Tyranneien Hitlers und Stalins nicht sehr wohl miteinander vergleichbar, weil sie gleichermaßen menschenverachtend und mörderisch wüteten und beide unermessliches Leid über Völker und Kontinente brachten?
- »Im Zweifel für das Leben»? Sind Millionen Abtreibungen, gesetzlich erlaubt und doch auch eigentlich wieder nicht so ganz, nicht wahrhaft Gewissensgrund genug, nachhaltig zu zweifeln unüberhörbar zu mahnen?
Trotz aller irdischen Irrungen und Unbill spiegelt sich die überwältigende Schönheit der Schöpfung für Johannes Paul II. »gleichsam in den Augen Gottes wider«.
Im Urteil der Geschichte könnte er durchaus zum Jahrhundert-Papst erhoben werden.

Artikel vom 02.04.2005