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Fischer redet am 25. April

Visa-Ausschuss: Aussage überraschend doch noch vor der NRW-Wahl

Berlin (AP). Nach wochenlangem Streit sagt Bundesaußenminister Joschka Fischer überraschend jetzt doch noch vor der Wahl in Nordrhein-Westfalen (22. Mai) im Visa-Ausschuss des Bundestages aus. Auf den 25. April einigten sich gestern im Ausschuss in Berlin alle Parteien.

Rot-Grün hatte zuvor wochenlang Widerstand gegen die Vernehmung Fischers vor der NRW-Wahl geleistet, weil durch die Visa-Affäre Nachteile für den Wahlkampf befürchtet worden waren. Der Terminvorschlag von Rot-Grün kam aus heiterem Himmel. Der CDU-Politiker Reinhard Grindel gab am Rande der Ausschusssitzung gestern zu, vorher nichts von dem Vorschlag gewusst zu haben.
Grindel nannte den Vorstoß von Rot-Grün »Trickserei auf hohem Niveau«. Der SPD-Obmann Olaf Scholz wollte nicht sagen, wer die Idee zum dem Coup wann hatte. Er erklärte gut gelaunt nur: »Über uns ist gemeinsam eine Erscheinung gekommen.«
Der taktische Spielraum wurde Rot-Grün offenbar deutlich, nachdem der Obmann von CDU/CSU, Eckart von Klaeden, wiederholt erklärt hatte, seine Seite habe keine juristischen Mittel, die Mehrheit von Rot-Grün im Ausschuss zu irgendetwas zu zwingen. Über Ostern hatte Klaeden dann erklärt, er wolle notfalls mit Hilfe des Bundesgerichtshofes eine frühe Vernehmung Fischers, bis spätestens 12. Mai, erzwingen.
Außerdem einigte sich der Ausschuss auf eine Zeugenliste mit mehr als 50 Namen bis zum 8. Juli. Die Reihenfolge soll den fachlichen Erfordernissen angepasst werden.
Ex-Staatsminister Ludger Volmer, der mit einem umstrittenen Erlass von März 2000 die Visa-Vergabe erleichtert hatte, wird nach dem neuen Fahrplan einige Tage vor Fischer, am 21. April, aussagen. Am letzten Tag soll Bundesinnenminister Otto Schily vernommen werden. Klaeden unterstrich, dass dieses Datum nicht das Ende der Beweisaufnahme bedeuten müsse.
Vor der Einigung auf die Zeugenliste hatten sich beide Seiten vorgeworfen, ein »Doppelspiel« zu betreiben. Klaeden nannte den Vorstoß von Rot-Grün eine Fortsetzung des »Doppelspiels«. Unter den benannten Zeugen seien zwar alle Mitarbeiter des Auswärtigen Amtes, die der Ausschuss habe hören wollen. Aber bisher sei vom Auswärtigen Amt noch nicht einmal die Hälfte der angeforderten Akten übergeben worden. Scholz wies dies zurück.
In der öffentlichen Ausschusssitzung schilderten gestern außerdem Staatsanwälte und Richter aus zwei Landgerichtsverfahren den Ablauf von Schleusungen aus der Ukraine. Bei dem Prozess in Dresden wurde der Hauptangeklagte zu einer mehrjährigen Haftstrafe verurteilt. Es sei offensichtlich gewesen, dass die Visa-Erteilungspraxis von der Organisierten Kriminalität missbraucht worden sei, sagte der zuständige Richter. In dem Urteil aus Münster war als strafmildernd gewertet worden, dass die Straftaten »angesichts der politisch angeordneten, großzügigen Handhabung der Visa-Erteilung leicht gemacht worden war«.
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Artikel vom 01.04.2005