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Eine neue Etappe auf dem Leidensweg des Papstes

Johannes Paul II. zeigt sich überraschend den Gläubigen

Von Peer Meinert
Rom (dpa). Papst Johannes Paul II. hat eine neue Etappe auf seinem Leidensweg erreicht: Er muss mit einer Magensonde künstlich ernährt werden. Zugleich scheiterte ein zweiter Versuch, wenigstens ein paar Worte zu den Gläubigen auf dem Petersplatz zu sprechen.

Auch wird der Pontifex aus Angst vor einer Infektion immer strenger isoliert. Italienische Medien sprechen sogar von einem erneuten Krankenhausaufenthalt in der nächsten Woche. Gut vier Wochen nach seiner Luftröhrenoperation mag niemand in Rom mehr von »Genesung« reden - nur der Vatikan hält in seinen offiziellen Erklärungen daran fest.
Die Sonde, die dem an Schluckbeschwerden leidenden 84-jährigen Papst die Nahrungsaufnahme erleichtern soll, besteht aus einem Schlauch, der ihm durch Nase und Speiseröhre in den Magen geleitet wird. Unklar ist, ob der Papst die Sonde ständig trägt oder nur zeitweise. Auch der genaue Beginn der künstlichen Ernährung wurde nicht mitgeteilt. Seit längerem schon bereitet die Gewichtsabnahme den Ärzten große Sorge.
Auch gestern sahen die Gläubigen in Rom erneut das Bild einer schleichenden Verschlechterung: Der Papst wirkte abgemagert, nervös und fahrig, mehrfach entglitten ihm seine Gesichtszüge. Und trotz mehrerer Anläufe versagte ihm erneut die Stimme. Die ganze Welt sieht: Er kann nicht mehr.
Das scheint Vatikansprecher Joaquín Navarro-Valls geflissentlich zu übersehen. Auch die jüngste offizielle Erklärung des PR-Strategen besteht aus chronischen »Erfolgsmeldungen«: Der Heilige Vater verbringe viele Stunden am Tag im Sessel, er feiere die Messe in seiner Privatkapelle im Vatikan, er halte engen Kontakt zu seinen Mitarbeitern und verfolge die Arbeit der Kirche. Das klingt, als füge sich alles zum Besten.
Allerdings muss auch der rührige Sprecher Navarro-Valls, ein Spanier, erstmals offen einräumen, dass die »Genesung« nur langsam voranschreite. Inoffiziell ist in Rom längst von einer Verschlechterung die Rede. Alle weiteren Termine wurden abgesagt - niemand glaubt etwa noch daran, dass Karol Wojtyla am Weltjugendtreffen im August in Köln dabei sein kann. Immer wieder, seit dem ersten Krankenhausaufenthalt Anfang Februar, hatten der Vatikan und hohe Kardinäle versucht, das Bild einer Besserung aufrechtzuerhalten. Kurienkardinal Joseph Ratzinger hatte schon kurz nach der Operation am 24. Februar berichtet, der Papst habe sich mit ihm »auf Deutsch und auf Italienisch« unterhalten.

Artikel vom 31.03.2005