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Eigene Bilder werden
einfach »überarbeitet«

Maler Bernhard Heisig feiert heute seinen 80. Geburtstag

Von Tobias D. Höhn
Leipzig (dpa). Der Mann vor der Leinwand ist Kämpfer und »Regisseur«, die Kreaturen auf der Leinwand sind aus Farben geschaffene Statisten. Wie ein Besessener arbeitet Bernhard Heisig in seinem Atelier. Heute wird er 80 Jahre alt.

Täglich von 10 bis 13 und 15 bis 18 Uhr sitzt er im Rollstuhl vor der Staffelei, strebt nach Perfektion. »Bilder, die sich nicht auch mit dem Tod beschäftigen, sind keine Bilder«, grummelt Heisig. Und: »Manche Bilder würde ich heute anders machen«.
Der Konjunktiv stört ihn wenig, selbst verkaufte Bilder korrigiert er nachträglich - mal mit, mal ohne Einverständnis der Eigentümer. »Gudrun, lenk mal die Aufsicht ab«, soll er seiner Frau und einstigen Schülerin, der Malerin Gudrun Brüne, einst in Leipzig zugerufen haben. Im Museum der bildenden Künste beispielsweise korrigierte er mit Pinsel und Farbe bewaffnet seelenruhig einige Gesichter auf seinem Werk »Pariser Kommune«. Aus dem Museum Altenburg hat er sich »Die Festung Breslau - die Stadt und ihre Mörder« zur Überarbeitung ausgeliehen.
Das Hohelied auf die Freiheit der Kunst will Heisig nicht singen. »Künstler sind nie frei, sie dürfen gar nicht frei sein.« Der 1925 in Breslau geborene Heisig hatte sich mit 17 Jahren freiwillig zur SS- Panzerdivision gemeldet, wurde schwer verwundet. 1947 trat er freiwillig in die SED ein, 1951 brach er das Malerstudium ab, zehn Jahre später wurde er Professor und zum Rektor der Kunsthochschule Leipzig gewählt. 1964 wurde er abgesetzt, weil er auf dem Kongress des Verbandes Bildender Künstler die Partei einen Kindergarten genannt hatte. Offiziell hieß es, er habe seine Erziehungsaufgaben vernachlässigt.
Heisig liebt die Auseinandersetzung - vor allem mit seiner Biografie. Die Landschaft rund um den 400-Seelen-Ort Strodehne mit Kartoffeläckern und Alleen, unweit der wilhelminischen Schlachtfelder, gibt dem rigorosen Moralisten geistige Nahrung. Die anderen beiden voriges Jahr gestorbenen Vertreter der Leipziger Malertrinität, Wolfgang Mattheuer und Werner Tübke, haben Heisig auf seinem »Landsitz« nie besucht. Seine erste und wichtigste Kritikerin ist seine Frau Gudrun, die im Nachbaratelier arbeitet. Seine großformatigen Bilder erzielen Spitzenpreise von bis zu 250 000 Euro. Was er sich zum 80. Geburtstag wünsche, ist, dass er 90 werde. »100 nicht, ich bin doch nicht Johannes Heesters.«

Artikel vom 31.03.2005