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Auf der Suche nach Überlebenden

Lage im Erdbebengebiet nach wie vor unübersichtlich - weitere Inselgruppe betroffen

Jakarta/Potsdam (dpa). Zwei Tage nach dem neuen schweren Seebeben vor Sumatra ist die Zahl der Toten gestiegen. Hilfskräfte suchten gestern verzweifelt in den Trümmern nach Überlebenden.

Schlechtes Wetter, fehlendes Gerät und mangelnde Koordination behindern die Rettungsarbeiten. Tausende Menschen verbringen die Nächte weiterhin im Freien. Nachbeben versetzen die Bevölkerung in Angst und Schrecken. Trinkwasser und Lebensmittel sind knapp. Wie viele Menschen tatsächlich umgekommen sind, ist nach wie vor ungewiss. Indonesiens Vizepräsident Jusuf Kalla hatte am Dienstag von bis zu 2000 Toten gesprochen.
Auch auf den Banyak-Inseln in der Nähe des Epizentrums des Bebens vom Montagabend wurden vermutlich zahlreiche Menschen in den Tod gerissen, sagte gestern ein indonesischer Regierungssprecher. Bis zu 300 Bewohner könnten dort ums Leben gekommen sein. Zunächst galt die benachbarte Insel Nias als am stärksten betroffen, wo bisher 330 Tote geborgen wurden.
Minutenlange Erdstöße der Stärke 8,7 hatten am Montag kurz vor Mitternacht Küstenregionen am Indischen Ozean erschüttert. Die Region war bereits nach dem Seebeben vom 26. Dezember von einer verheerenden Flutwelle verwüstet worden. Damals starben in den Ländern am Indischen Ozean 300 000 Menschen. Inzwischen sind 349 tote deutsche Opfer identifiziert worden. Die Zahl der Vermissten sei auf 221 gesunken, teilte eine Sprecherin des Auswärtigen Amts gestern mit. Es gebe keine Hinweise, dass Deutsche unter den Opfern des neuen Seebebens seien.
Die Zahl der Toten auf den Banyak-Inseln könne die auf Nias noch übersteigen, sagte der Sprecher der indonesischen Koordinationsstelle für Katastrophenmanagement, Budi Atmaji Adiputro. Die Inseln, auf denen etwa 4000 Menschen leben, befinden sich nördlich von Nias. Weitere 100 Tote werden auf der Insel Simeulue beklagt.
Tausende Menschen sind ohne Trinkwasser. Straßen und Stromleitungen sind beschädigt. In einer Moschee wurden Leichen aufgebahrt. Verletzte wurden auf einem Fußballfeld behandelt. Das Welternährungsprogramm der Vereinten Nationen (WFP) lieferte umgehend Lebensmittel nach Nias. »Die Leute sind bereits durch die Tsunami-Katastrophe vom 26. Dezember extrem traumatisiert«, sagte WFP-Direktor Mohamed Saleheen. »Diese Menschen haben einen grausamen Doppel-Schock erlitten. Es ist entscheidend, dass die Hilfe die Leute schnell erreicht.«
Das vom Geoforschungszentrum (GFZ) Potsdam entwickelte Tsunami-Frühwarnsystem, das in den Ländern um den Indischen Ozean zum Einsatz kommen soll, könnte nach einem Seebeben die tatsächlichen Gefahren präzise erkennen. »Wenn das System schon installiert gewesen wäre, dann hätte es jetzt keine Tsunami-Warnung gegeben«, sagte Jörn Lauterjung, der am GFZ das Frühwarn-Projekt koordiniert. »Das System warnt nur, wenn tatsächlich eine Gefahr besteht.« Es vermeide somit unnötige Panik.
Nach dem jüngsten Seebeben waren die betroffenen Regierungen vom Pazifik-Warnzentrum auf Hawaii vor einem Tsunami gewarnt worden. Dort können nur Aussagen über die Stärke der Beben, nicht aber über eine tatsächlich bestehende Tsunami-Gefahr getroffen werden. Mit dem maßgeblich vom GFZ entwickelten System könnte jedoch der Druck auf dem Boden des Indischen Ozeans gemessen werden. »Mit Hilfe dieser Daten kann eindeutig geklärt werden, ob auf dem offenen Meer eine Welle entstanden ist, die die Menschen an Land gefährdet«, sagte Lauterjung. Ende 2005 sollen die ersten Messstationen nach Indonesien geliefert werden und auf dem Festland und im Meer nahe Sumatra installiert werden. Frühestens 2006 könnten erste Teile des Systems den Betrieb aufnehmen.

Artikel vom 31.03.2005