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»Wir lachten und weinten«

Schauspieler lesen aus Briefen von Zwangsarbeitern


Bielefeld (WB/mzh). »Wir lachten und weinten gleichzeitig« - etwa 17 000 Menschen befanden sich im Widerstreit der Gefühle, als Anfang April 1945 mit dem Einmarsch der Amerikaner die Bielefelder Zwangsarbeiter befreit wurden. Am Sonntag, 3. April, lesen die Schauspieler Therese Berger, Lisa Wildmann und Thomas Wolff aus Briefen der Befreiten. Die gut einstündige Lesung mit anschließender Diskussion im Theaterlabor »Tor 6« (zwischen Teutoburger und August-Bebel-Straße) beginnt um 11.30 Uhr.
»Die ehemaligen Zwangsarbeiter haben mit großer Freude darauf reagiert, dass sie nicht vergessen sind«, berichtet Wolfgang Herzog vom Verein »Gegen Vergessen - Für Demokratie«, der die Lesung zusammen mit dem Theater Bielefeld ausrichtet. »Dass ausgerechnet die Feinde von einst an ihrem Schicksal Interesse zeigen, macht sie glücklich.«
Die meist aus der Sowjetunion stammenden Zwangsarbeiter wurden um Stellungnahme gebeten - sowohl zu ihren damaligen Erlebnissen als auch zu ihrer heutigen Sicht auf die Ereignisse. »Wie ein roter Faden durchziehen das Bekenntnis gegen Krieg und der Wunsch nach Frieden die Briefe«, sagt Merret Wohlrab vom Verein »Gegen Vergessen«.
Die letzten Kriegstage, so wie sie sich aus den 26 ausgewählten Briefen darstellen, waren Tage der Angst. Wie würde das untergehende Regime reagieren? »Evakuierung« konnte dasselbe bedeuten wie »Todesmarsch«. Viele der Befreiten seien aufs Land geflüchtet, hätten sich dort versteckt oder bei wohlmeinenden Einheimischen Unterschlupf gefunden.
»Die meisten aber wollten so schnell wie möglich zurück in ihre Heimat«, sagt Herzog. Dass Stalin sie als vermeintliche Kollaborateure in den GuLag verschleppen würde, ahnten nur wenige - und es linderte nicht ihr Heimweh.
Der Verein will die Briefe veröffentlichen. Außerdem hoffen seine Mitglieder, dass verstärkt an die Orte erinnert wird, an denen Zwangsarbeit verrichtet wurde. Die Überlebenden werden nach Möglichkeit finanziell unterstützt: Der Besuch der Lesung im Theaterlabor ist zwar kostenlos, doch bittet der Verein um eine Spende.
Wer sich für die Mitarbeit im Verein interessiert - immer mehr junge Leute finden Gefallen daran -, kann sich bei Merret Wohlrab telefonisch unter 5 21 27 09 melden. Der Kirchenkreis Bielefeld führt bei der Sparkasse (BLZ 480 501 61) ein Spendenkonto (KtoNr. 364). Bitte das Kennwort »Zwangsarbeit« nicht vergessen!

Artikel vom 31.03.2005