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Zu viel Feinstaub in München:
Fahrverbot droht

Trittin kritisiert Länder und Kommunen

Berlin (ddp). Bundesweit zum ersten Mal ist in München zu Ostern die zulässige Feinstaub-Belastung überschritten und damit gegen EU-Recht verstoßen worden. Bundesumweltminister Jürgen Trittin (Grüne) warf Ländern und Kommunen Ignoranz gegenüber der EU-Richtlinie vor. Die Gemeinden gaben die Verantwortung an die Landesregierungen weiter.

In der bayerischen Landeshauptstadt wurde am Ostersonntag an der Landshuter Allee mit 58 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft zum 36. Mal ein zu hoher Wert gemessen. Der EU-Tagesgrenzwert beträgt 50 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft. Erlaubt sind laut den seit 1. Januar geltenden EU-Richtlinien nur 35 Überschreitungen im gesamten Jahr.
Trittin betonte: »Jeder wusste, was da auf ihn zukommt.« Es gebe jedoch bei Ländern und Gemeinden eine Neigung, »die Umsetzung von EU-Recht nach hinten zu schieben«. Das lasse sich die EU-Kommission »zu Recht nicht bieten«. Der Grünen-Parlamentarier Winfried Hermann warf mit Ausnahme von Nordrhein-Westfalen und Bayern den anderen Ländern »ökologische Ignoranz« vor. Die Grenzwerte seien seit 1999 bekannt und seit 2002 in nationales Recht umgesetzt worden. Er forderte im Berliner »Tagesspiegel am Sonntag« bei Überschreiten der Grenzwerte Straßensperrungen für Fahrzeuge ohne Rußfilter.
Berlins Stadtentwicklungssenatorin Ingeborg Junge-Reyer (SPD) wies den Verzögerungsvorwurf zurück. Nach dem Luftreinhalteplan des Senats werde von 2008 an die Innenstadt für Dieselfahrzeuge ohne Rußfilter gesperrt. Schnelle Fahrverbote seien aber nicht umsetzbar. Ein Sprecher des bayerischen Umweltministeriums sagte, einzelne Maßnahmen wie ein generelles Lkw-Fahrverbot oder auch eine City-Maut seien »wenig effektiv«. Statt dessen müsse man auf mittel- und langfristige Schritte wie Nachrüsten von Lkw mit Rußfiltern setzen.
Unterdessen forcieren deutsche Autohersteller den Filter-Einbau. Laut Branchenzeitung »Automobilwoche« will Mercedes vom Sommer an alle Diesel serienmäßig mit Rußfilter ausrüsten. BMW wolle ab Sommer diesen gegen Aufpreis für alle dieselgetriebenen Pkw anbieten, Audi will sein Programm im Herbst starten.
Der deutschen Automobilindustrie drohen nach Meinung des Autoexperten Ferdinand Dudenhöffer erhebliche Einbußen wegen fehlender Rußpartikelfilter. Er erwarte, dass »bis zu 30 000 Dieselfahrzeug-Verkäufe in den nächsten Monaten nach hinten geschoben« werden, sagte der Professor für Automobilwirtschaft an der Fachhochschule Gelsenkirchen.
Nach Ansicht Dudenhöffers steckt der Diesel-Filter »in einer Politik-Blockade«. Da nach der Euro-4-Norm der Abgasreiniger nicht zwingend vorgeschrieben werden könne, werde er nur eingesetzt, »wenn sich der Autokäufer sozusagen freiwillig dafür entscheidet«, sagte er. Für diese Entscheidung sei jedoch »die steuerliche Förderung unabdingbar«. Um die Autokonjunktur anzuschieben und die Feinstaub-Probleme zu lösen, sei eine politische Entscheidung »überfällig«, betonte er.

Artikel vom 29.03.2005