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Leitartikel
Ungesunde »Volkserziehung«

Vertrauen
geht nicht
von allein


Von Rolf Dressler
Über Vertrauensschutz zugun- sten der Bürger schwingen Politikveranstalter aller Farben gern wohlfeile Sonntagsreden. Kaufen kann das Publikum sich dafür absolut nichts - allenfalls eine vage Hoffnung auf Besserung am Sankt-Nimmerleinstag X oder Y.
Denn die tagtägliche Erfahrung lehrt immer wieder nur eines: Sicher ist heutzutage lediglich, dass praktisch nichts mehr sicher ist, weil die Verlässlichkeit in allen öffentlichen und privaten Lebens- bereichen atemberaubend dahinschwindet. Und die Sündenfälle häufen sich ungebremst.
Zig Millionen Ruheständler der Wiederaufbaugeneration - ehemals jahrzehntelang Arbeiter und Angestellte von Beruf - konnten vielfach kaum nennenswert vorsorgen für das Alter. Dessen ungeachtet aber müssen sie sich von smarten, materiell bestens bestückten Mittvierziger-»Volksvertretern« eine Null-Runde nach der anderen aufdrücken lassen, die in Wahrheit Mal für Mal ein Minus bei der Rente bedeutet.
Unter allerlei Vorwänden wird unterdessen der Datenschutz schleichend ausgehebelt. Ohne großes Aufhebens kippt man das Bankgeheimnis, wobei - natürlich unausgesprochen - praktisch allen Geldanlegern und Sparern, also auch der überwältigenden Mehrheit der Redlichen und Ehrlichen, der Geruch von Steuerhinterziehern und Betrügern angehängt wird.
In derselben Suppenküche richteten die gleichen Ideologen jenes Gebräu an, das uns unter dem verquasten Begriff »Antidiskriminierungsgesetz« serviert wird - als angeblich zwingend nötiges Mittel der Volks(um)erziehung von Staats wegen.
Vertrauensbildende Maßnahmen sehen völlig anders aus. Oder sollten Hans und Hilde, Tim und Nicole, Marco und Stefanie das Ganze nur wieder ganz und gar falsch verstanden haben?
Einfach umwerfend auch dieser Gesetzgeber-Coup: Vom 1. Juni 2005 an können Haus- und Wohnungsmieter grundsätzlich binnen nur noch drei Monaten aus dem Vertrag mit dem Vermieter aussteigen. Denn dann sind mit einem Schlage - und nun auch ausdrücklich rückwirkend - sämtliche schriftlich getroffenen Vereinbarungen zum Beispiel über Kündigungsfristen etwa von sechs, neun oder zwölf Monaten schlicht und einfach null und nichtig.
Dementsprechend süffisant-schadenfroh klingen die gegensätzlichen Botschaften an die beteiligten Vertragsparteien: Mieter können künftig legal und locker binnen drei Monaten aus dem Mietverhältnis aussteigen - Vermieter (die zumeist bekanntlich ohnehin nur »abzocken« und zu »dicke Kasse machen«...), müssen sich dann eben viel öfter als bisher neue Mieter suchen; und exklusiv nur sie sind auch künftighin strikt dazu verpflichtet, nach fünf bzw. acht Jahren Mietdauer ihrerseits treu und brav Kündigungsfristen von sechs bzw. neun Monaten einzuhalten.
Vertragsschutz? Vertrauensschutz? Alles nur trügerischer Schein? Der Schein, so scheint's, trügt leider nicht.

Artikel vom 30.03.2005