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Aufgaben mit Bravour gemeistert

Gut besuchte »Musik zur Todesstunde Jesu« in Jesus-Christus-Kirche

Sennestadt (rs) Seit vielen Jahren ist es Brauch in der Sennestädter Jesus-Christus-Kirche, am Karfreitag um 15 Uhr zu einer »Musik zur Todesstunde Jesu« einzuladen.
Kantorin Dorothea Schenk hatte für das auch unter musikhistorischem Aspekt besonders interessante Programm in diesem Jahr Chor-und Orgelmusik alter Meister ausgewählt, darunter auch einige selten zu hörende Werke. Pfarrer Wilhelm Zahn stimmte mit Lesungen aus dem Psalm 22 und dem Lukasevangelium auf die Passionsgeschichte ein.
»The Lamentations of Jeremiah« (Die Klagelieder des Jeremias) hat neben anderen europäischen Meistern, auch der 1505 geborene englische Renaissancekomponist Thomas Tallis vertont. Die erste dieser Lamentations, geschrieben wahrscheinlich für den gottesdienstlichen Gebrauch, erklang zum Auftakt des gut einstündigen Konzerts.
Den Kontrast zwischen syllabischer Textbehandlung und kunstvollen Melismen hatte Dorothea Schenk mit dem hochmotivierten Vokalensemble der Evangelischen Kantorei aufs Feinste herausgearbeitet. Bestechend war auch die Intonationsreinheit, mit der die knapp zwanzigköpfige leistungsfähige Sängerschar diesen und auch die folgenden a capella-Sätze bot.
Zu ihnen gehörten drei, inhaltlich dem Karfreitagsgeschehen angepasste Motetten verschiedener Komponisten des 16. bis 18. Jahrhunderts. Es stand der Name Johann Kuhnau auf dem Programm, ein Universalgelehrter,studierter Jurist und als Thomaskantor Vorgänger von J.S.Bach. Von seinen Kompositonen sind vorwiegend Klaviersonaten bekannt. Wenn seine kaum bekannte Motette »Tristis est anima mea« allerdings mit einem so wunderbar homogenen Chorklang, schönem Legato und deklamatorisch ausgefeilt interpretiert wird,gewinnt sie an Bedeutung.
Mit der kurzen Motette »O crux ave« war der Großmeister der katholischen Kirchenmusik, Giovanni Pierluigi da Palestrina, vertreten. Sein Landsmann, der Venezianer Antonio Lotti, wirkte ein Jahrhundert später kurze Zeit als Opernkomponist in Dresden, wo auch seine Motette »Crucifixus« entstand. Diese »reine« Kirchenmusik steht in direkter Palestrina-Nachfolge.
Eine sängerische mit Bravour gemeisterte Herausforderung war das legendäre Miserere von Gregorio Allegri für zwei Chöre zu fünf und vier Stimmen, die sich am Schluß zum neunstimmigen Satz vereinen. Zwei Generationen nach Palestrina wirkte Allegri an der Sixtinischen Kapelle in Rom. Sein Miserere »begründete den Mythos einer besonderen Ausstrahlung«. Die Vertonung des 51.Psalms ( sie erklang in deutscher Textfassung von E. Zillinger) stand bis 1870 im Zentrum der Karfreitagsliturgie des Vatikan. Es war bei Strafe der Exkommunikation verboten, das Werk zu kopieren (der 14-jährige Mozart schrieb es allerdings nach dem Gehör auf). Es war ein wertvoller Beitrag der eindrucksvollen Karfreitagsmusik, die Dorothea Schenk mit Orgelmusik von Johann Sebastian Bach, darunter den sensibel registrierten Choral »O Mensch, bewein dein Sünde groß« aus dem »Orgelbüchlein«, bereicherte.

Artikel vom 29.03.2005