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»In Deutschland passiert das nicht«

Nach den Ausschreitungen: Thema Sicherheit wieder im Vordergrund

Celje (dpa). Nach den schwersten Ausschreitungen deutscher Hooligans seit der Europameisterschaft 2000 haben Bundesinnenminister Otto Schily und Franz Beckenbauer die Angst vor Hooligan-Krawallen bei der Fußball-Weltmeisterschaft zu zerstreuen versucht.

»Die Polizei wird 2006 dafür sorgen, dass diese Schlägertrupps das schönste Fußballfest der Welt nicht kaputt machen«, sagte Schily. »In Deutschland passiert das nicht«, versicherte der Präsident des WM-Organisationskomitees.
Insgesamt waren nach Ausschreitungen vor, während und nach dem Spiel 65 Personen, darunter 45 Deutsche, vorübergehend festgenommen worden. Gegen fünf Deutsche und 20 Slowenen ist Anklage erhoben worden. Der Sachschaden in der Stadt wurde auf 12 500 Euro bezifffert.
»Das war nur sinnloser Hass und Freude am Zerstören. Ich habe die hassverzerrten Gesichter gesehen, das sind keine normalen Menschen«, kommentierte Mayer-Vorfelder. Der DFB-Chef kündigte einen Brief an Schily an: »Ich mache mir große Sorgen um die WM 2006.« Der Innenminister stellte fest: »Diese Randalierer sind ein Schandfleck. Aber sie stehen nicht für Deutschland. Unsere Fans sind friedlich und fußballbegeistert. Genauso wird die WM 2006 in unserem Land ablaufen.«
Das deutsche WM-Motto (»Die Welt zu Gast bei Freunden«) wurde bei den Ausschreitungen von kleinen Gruppen schwer beschädigt. Beckenbauer warf den slowenischen Behörden vor, die Sicherheits-Problematik unterschätzt zu haben: »Die Krawallmacher suchen sich solche Länder aus, wo sie wissen, dass man sie nicht ernst nimmt. Von slowenischer Seite ist das einfach unterschätzt worden«, kritisierte der WM-Chef. Eine Sprecherin des slowenischen Innenministeriums räumte am Montag ein, dass die nationalen Behörden die deutschen Warnungen nicht ernst genug genommen hätten.
Die Sicherheits-Problematik ist durch die Vorfälle in Slowenien 15 Monate vor der WM und nur zehn Wochen vor dem Confederations Cup in fünf deutschen Städten wieder in den Vordergrund gerückt. Sie dürfte auch bei einer bevorstehenden WM-Sicherheitskonferenz eine Rolle spielen. DFB-Teammanager Oliver Bierhoff verlangte unter Hinweis auf kommende Auswärtsspiele in Rotterdam gegen die Niederlande (17. August) und in der Slowakei (3. September) rasche Konsequenzen: »Ich hoffe, das war ein einmaliger Vorfall.«
WM-Chef Beckenbauer erlebte die Krawalle als TV-Experte hautnah mit. Das gläserne ZDF-Studio befand sich nur wenige Meter entfernt von dem Fanblock, in dem bis zum energischen Eingreifen der Polizei randaliert wurde. Mehrfach flogen Leuchtraketen auf den Platz. Der englische Schiedsrichter Graham Poll unterbrach sogar einmal kurz die Partie. Später flogen Schalensitze, die aus der Verankerung gerissen worden waren. Nach dem Abpfiff gingen die Jagdszenen, in die auch slowenische Fans verwickelt waren, weiter. Torhüter Oliver Kahn, in dessen Nähe einige Raketen niedergegangen waren, bezeichnete das Verhalten der Hooligans als »kriminell«.
Der DFB war über die Anreise von 200 bis 250 »Problemfans« nach Slowenien vorab informiert gewesen und hatte diese Angaben an den slowenischen Verband weitergegeben. »Wir können nicht nur auf den Verdacht hin 50 Personen daran hindern, nach Slowenien zu fahren«, sagte DFB-Sicherheitschef Alfred Sengle. Bisher gebe es nur bei EM- und WM-Turnieren für bekannte, als gefährlich eingestufte Fans polizeirechtliche Maßnahmen wie tägliche Meldepflicht.
Deutsche Hooligans haben in der Vergangenheit schon häufiger für Ausschreitungen gesorgt. Bei der Weltmeisterschaft 1998 prügelten Hooligans nach dem Vorrundenspiel gegen Jugoslawien in Lens den Polizisten Daniel Nivel halb tot. Auch bei der EM 2000 sorgten deutsche »Fans« am Rande des Vorrundespiels gegen England in Charleroi für Krawalle. 98 deutsche und englische »Fans« wurden verhaftet.

Artikel vom 29.03.2005