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Ideales künstlerisches Versuchsfeld

Neue Teppiche von Friederike Feldmann in der Studiengalerie

Bielefeld (WB). Knapp zehn Jahre, nachdem die in Bielefeld geborene und heute in Berlin lebende Künstlerin Friederike Feldmann das erste Mal Teppiche als Vorlagen für ihre Bilder verwendet hat, werden zu diesem Thema in der Studiengalerie 15 neue großformatige Arbeiten von ihr präsentiert.

Ausgangspunkt sind Abbildungen aus Verkaufsprospekten von Teppichhäusern. Dies häufig nur daumengroßen Fotos werden von Friederike Feldmann auf frappierende Weise mit farbigem Silikon oder Acryl auf die Leinwand übertragen. Einige Stellen bleiben frei, wodurch der Eindruck entsteht, das Bild sei entweder noch nicht fertig oder der Teppich bereits abgetreten. Es entsteht ein Bild von einem Bild, aber durch das Impasto der Farbe auch ein Objekt, das dem echten Teppich ähnlich sieht.
Friederike Feldmanns Teppichbilder befassen sich mit den Problemen visueller Darstellbarkeit in der Malerei und mit dem Verhältnis von Original und Reproduktion. Schon in früheren Werkphasen hatte sich die Künstlerin mit denselben Fragen beschäftigt.
Für die Sammlung Feldmann produzierte die Künstlerin Mitte der 1990er Jahre 150 Aquarelle nach Fotos von Klassikern der Kunstgeschichte. Das Ausgangsmaterial anderer Werkgruppen waren in der Regel populäre Bilder von Kulturdenkmälern in ihrer massenmedialen Vervielfältigung und Präsenz. Für die Serie der Altäre dienten Ansichtskarten als Vorlage, der schiefe Turm von Pisa wurde 1998 in der Galerie Borgemeister in Berlin direkt auf die Wand gemalt und nach dem Ende der Ausstellung wieder heruntergekratzt. Das Interesse an der räumlichen Dimension der Bildvorlage hängt sicherlich mit Friederike Feldmanns Bühnenbild-Studium und der Arbeit fürs Theater zusammen.
Die Orientteppiche - für die Künstlerin durchaus Symbole für vermeintliche Wohnkultur und Wohlstand - sind ein ideales künstlerisches Versuchsfeld; sie dienen Friederike Feldmann gewissermaßen als Vorwand für ein Bild. Die geschorene Oberfläche des geknüpften Flors verwandelt sich in ein zerklüftetes Farbrelief. Das Teppichmuster wird zur gekonnten abstrakten Paraphrase, und die leeren Stellen auf der Leinwand erscheinen auf einmal als Ergebnis raffinierter Malerei, weil durch sie die ausgeführten Partien besonders betont werden.
Die durch tausendfache Vervielfältigung und kommerzielle Vereinnahmung verschlissenen Sehenswürdigkeiten, Kunstwerke und Teppiche bekommen durch den Malprozess ein Stück Authentizität und »bildliche Würde« zurück. Die neuen Teppiche sind im Unterschied zu ihren Vorlagen plötzlich einzigartig und künstlerisch auf hohem Niveau. Sie sind Vexierbilder: Einerseits sehen sie alt aus, zugleich aber auch wie noch in Arbeit. Die Gefahr der Verführung durch die Virtuosität der Malerei gehört zur Strategie, mit der Friederike Feldmann die geltenden Bedingungen ihres Mediums befragt.
Zur Ausstellung, die am Mittwoch, 6. April, 20 Uhr, eröffnet wird, erscheint ein Katalog.

Artikel vom 29.03.2005