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Die deutsche
Doppel-Krise

Tischtennis-EM: Krach in Aarhus

Aarhus (dpa). Der Deutsche Tischtennis-Bund (DTTB) ist in eine Doppel-Krise geraten. Nach dem peinlichen Streit der Verbands-Funktionäre lieferten die beiden DTTB-Teams bei der Europameisterschaft in Aarhus das schlechteste EM-Resultat seit 17 Jahren ab.

Die 1:3-Pleite der Herren im Viertelfinale gegen Rumänien brachte das Fass zum Überlaufen. In den Internet-Foren, aber auch unter den mitgereisten Zuschauern in der Halle Atletion wurden vor allem Cheftrainer Dirk Schimmelpfennig und der 35-jährige Jörg Roßkopf als Hauptschuldige der Niederlage genannt.
»Leute, die man 2004 feiert, sollte man nicht 2005 feuern«, sagte Schimmelpfennig zum Thema Rücktritt und Generationenwechsel. »Das Resultat ist eine Momentaufnahme, die nicht über die positive Entwicklung im Herren-Bereich täuschen darf.« Doch ein Jahr nach dem zweiten Platz bei der Mannschafts-WM in Katar und ein Jahr vor der WM 2006 in Bremen bedeutet das frühe EM-Aus einen herben Rückschlag. Bei der Analyse müssen Schimmelpfennig und Herren-Bundestrainer Richard Prause auch ihre umstrittene Nominierungspraxis kritisch hinterfragen.
»Mir tut es für Jörg Roßkopf Leid. So einen Abschied aus der Nationalmannschaft hat er nicht verdient«, sagte der tief enttäuschte DTTB-Ehrenpräsident Hans Wilhelm Gäb. Der Trainerstab treibt mit dem Rekordnationalspieler ein merkwürdiges Spiel. Im Vorjahr, als er in guter Form war, wurde er vor dem WM-Finale gegen China aus dem Team genommen und aus taktischen Gründen durch den 18-jährigen Christian Süß ersetzt. Eine Maßnahme, die Roßkopf bis heute nicht verdaut hat.
In diesem Jahr, wo die Formkurve nach unten zeigt, sollte Roßkopf bei der EM in der Mannschaft, aber kein Einzel spielen. Er wurde aber für die Individual-WM in drei Wochen in Schanghai nominiert. Dort sollen laut Schimmelpfennig nur Spieler mit »Medaillenchance« oder »Perspektive« starten, weshalb zum Beispiel die besten DTTB-Damen Nicole Struse und Elke Wosik derzeit zu Hause bleiben müssen. Diese Widersprüche verstehen auch viele Aktive nicht.
Als Roßkopf, der nach Olympia 2004 in Athen den vielleicht besten Zeitpunkt für das Ende seiner großartigen internationalen Karriere verpasste, am Ostermontag gegen den Rumänien Constantin Cioti eines seiner schlechtesten Länderspiele ablieferte, befanden sich die Düsseldorfer Christian Süß und Bastian Steger auf der Anreise nach Aarhus.
»Wir greifen in zwei Jahren wieder an«, erklärte Roßkopf trotzig nach dem EM-Aus. Der Weltranglisten-Vierte Boll nahm das 1:3 zumindest äußerlich gelassen zur Kenntnis. »Die beiden Endspiel-Niederlagen 2002 und 2003 taten mir mehr weh. Wir sind Profis und können uns in zwei Tagen wieder auf das Einzelturnier konzentrieren«, sagte der EM- Champion von 2002. Hans Wilhelm Gäb stellte fest: »Eine bittere Stunde. Dieses Aus schmerzt mehr als die verlorenen EM-Endspiele.«

Artikel vom 30.03.2005