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Suche nach der verlorenen Form

Radsport: Jörg Ludewig mit müden Beinen zur 89. Flandern-Rundfahrt

Von Hans Peter Tipp (Text)
und Sören Voss (Foto)
Bielefeld (WB). Es sind Festspiele auf zwei Rädern. Die Frühjahrsklassiker in Belgien bewegen im Radsport die Zuschauer wie ansonsten nur die Tour de France. Flandern-Rundfahrt, Gent-Wevelgem, Paris-Roubaix -Êdas kleine Nachbarland ist außer Rand und Band.

Überall herrscht der helle Radsport-Wahnsinn. Es ist eine grenzenlose Begeisterung, denn auch Franzosen, Niederländer und immer mehr Deutsche wollen sich dieses einzigartige Spektakel nicht entgehen lassen.
Eine halbe Million Menschen werden am Sonntag am Rande der Flandern-Rundfahrt (Eurosport live/13 bis 16.30 Uhr) erwartet. Doch die Flamen werden sich ihren inoffiziellen Nationalfeiertag - sichtbares Zeichen sind die vielen Fahnen mit dem schwarzen Löwen auf gelbem Grund -Ênicht nehmen lassen. Die besondere Schwierigkeit dieser Strecke: 19 der berüchtigten 'hellinge', kleine, giftig steile Kopfsteinpflaster-Anstiege, an denen das Rennen meistens entschieden wird.
»Die Begeisterung ist einfach phänomenal«, sagt auch der einzige Weltklasseprofi aus Ostwestfalen, der Steinhagener Jörg Ludewig. Bis zum Vorjahr wäre er allen Rennen im Nachbarland am liebsten fern geblieben, schließlich war er im Frühjahr meistens krank: Doch dann hatte er sein Schlüsselerlebnis: 220 Kilometer fuhr er an der Spitze durch Flandern. Doch unmittelbar vor der berüchtigten »Muur van Geraardsbergen« wurden die Ausreißer gestellt. Mit letzter Kraft rettete sich der Ostwestfale über die letzte Erhebung, den »Bosberg«, auf dem höchst respektablen 14. Platz ins Ziel.
Eine Woche später legte er in der Hölle des Nordens nach: Platz 46 bei Paris-Roubaix. Ludewigs beste Ergebnisse neben der Tour im vergangenen Jahr: Zwei Gründe mehr für Domina Vacanze, den Deutschen ins Team zu nehmen: In Belgien sollte »Il Tedesco«, der Deutsche, einer der Kapitäne sein.
Doch ausgerechnet jetzt fühlt sich Ludewig müde und ausgelaugt -Êschon vor dem Start. Auch das Training in heimatlichen Gefilden brachte nicht den erhofften Schub. »Ich war beim Zahnarzt, im Krankenhaus, beim Heilpraktiker und habe es mit Akupunktur versucht - alles ohne Wirkung. Meine Blutwerte zeigen: Ich bin zwar nicht richtig krank, aber auch nicht wirklich fit. Ich fühle mich wie ein Motor ohne Sprit.«
Schon vor einer Woche beim E-3-Prijs in Harelbeke, dem ersten Vorgeschmack auf die großen Rennen, und bei »Rund um Köln« ging Ludewig der Saft aus. »Aber ich will bei den drei Rennen mein Bestes geben. Vielleicht geschieht ja noch ein Wunder. Ansonsten werde ich mich voll in den Dienst der Mannschaft stellen.«
Und die hat derzeit jede Unterstützung nötig: Schließlich wartet Domina Vacanze, wie das deutsche Team T-Mobile, noch auf den ersten Saisonerfolg. Und ähnlich wie die Bonner erhielten die »Italiener«, bei denen Ludewig mit dem einem zweiten Etappenplatz bei Paris-Nizza für das bislang beste Resultat sorgte, in dieser Woche Post aus der Chefetage. Der dabei geäußerte Wunsch nach Erfolgen darf -Êhier wie dort -Ê sicherlich als Befehl aufgefasst werden.
Doch unter den Favoriten der 89. Flandern-Rundfahrt findet sich mit dem Vorjahressieger Steffen Wesemann (T-Mobile) nur ein Fahrer aus beiden Teams. Ansonsten will ein schneller Belgier für Furore sorgen: Wenn Tom Boonen im Finale noch dabei ist, werden die anderen Fahrer kaum an ihm vorbei kommen.

Artikel vom 02.04.2005