25.03.2005 Artikelansicht
Ausschnitt Zeitungsausschnitt
Drucken Drucken

 

Zeigefinger ersetzt das Auge

Paderborner Blindenschrift-Druckerei ist einmalig in NRW

Von Mario Berger (Text und Foto)
Paderborn (WB). »Mein rechter Zeigefinger muss immer eine konstante Temperatur haben«, sagt die blinde Andrea Wehling, »wenn es in den Räumen zu kalt ist, kann es schon mal sein, dass ich den Finger auf der Heizung aufwärmen muss.«

Die 28-Jährige ist Korrekturleserin der »Pauline-von-Mallinckrodt«-Druckerei in Paderborn und korrigiert Texte in Blindenschrift auf Fehler. Was für gesunde Menschen das Auge, ist für sie das Feingefühl im Zeigefinger.
»Das Fehlerlesen eines Buches kann schon mal drei bis vier Tage dauern«, erzählt Wehling, »das ist echt anstrengend.« Ein Buch in Blindenschrift - so genannte Braille - benötige etwa zweieinhalb Mal soviel Platz wie sein Gegenstück in Schwarzschrift. In Nordrhein-Westfalens einziger Blindenschrift-Druckerei werden jährlich 120 verschiedene Bücher sowie Monatszeitschriften verlegt und gedruckt. »Abwechslung gibt es genug«, freute sich Wehling, »neben Kinder-, Sach- und Kochbüchern korrigiere ich auch Zeitschriften«.
»Wir arbeiten nach dem Subskriptions-Prinzip, erklärt Verlagskauffrau Yvonne Delfino. Der Kundenstamm, insgesamt 3000 Abnehmer, werde schon im Vorfeld über das Angebot des nächsten Quartals informiert. »Damit gehen wir sicher, dass nur Bücher gedruckt werden die auch bestellt wurden.« Das Verlagshaus orientiert sich am Markt. »Kochbücher waren im vergangenen Jahr besonders gefragt«, freut sich die Verlagskauffrau. Nicht gedruckt werden erotische Bettgeschichten oder kirchenfeindliche Schriften«. »Schließlich haben wir eine 160-jährige Tradition mit religiösen Titeln«, so Delfino, »vielen blinden Menschen gibt der Glauben großen Halt.«
Ingesamt erwirtschaftete der gemeinnützige Verein in 2004 einen Umsatz von 200 000 Euro. »Leider decken die Einnahmen nicht die Kosten«, bedauert Delfino, »deshalb sind wir auf Spenden angewiesen.« Glücklich ist die Verlagskauffrau über die großartige ehrenamtliche Beteiligung in Paderborn. »Neben unseren 18 festangestellten gibt es noch 20 ehrenamtliche Mitarbeiter«, so Delfino. »Darauf sind wir besonders stolz.«

Artikel vom 25.03.2005