25.03.2005 Artikelansicht
Ausschnitt Zeitungsausschnitt
Drucken Drucken

 

Regierung in Kirgisien gestürzt

Präsident Askar Akajew geflohen - Tausende stürmen Regierungssitz

Bischkek/Moskau (dpa). Nach dem unblutigen Machtwechsel in den früheren Sowjetrepubliken Georgien und Ukraine ist auch in Kirgisien die alte Staatsführung von der Opposition gestürzt worden.
Jubelnde Anhänger der Opposition vor dem Regierungsgebäude.

Tausende unbewaffneter Regimegegner erstürmten am Donnerstag den Regierungssitz in der Hauptstadt Bischkek. Führende Oppositionelle kamen zu ersten Beratungen über die Machtaufteilung zusammen. Präsident Askar Akajew floh nach unbestätigten Berichten nach Kasachstan.
Zum Vorsitzenden eines Rates zur Koordinierung der Oppositionskräfte wurde der frühere Regierungschef Kurmanbek Bakijew ernannt. Der Rat erhielt provisorische Regierungsbefugnisse. Bakijew teilte am Abend mit, die von Akajew ernannte Regierung sei zurückgetreten. Der Innenminister und der Geheimdienstchef würden vorläufig im Amt bleiben, um die Ordnung im Land aufrechtzuerhalten.
Das Oberste Gericht Kirgisiens annullierte die Ergebnisse der von Fälschungsvorwürfen überschatteten Parlamentswahl von Ende Februar. Damit ist das bisherige Parlament weiter entscheidungsbefugt. Die Manipulationen bei der Parlamentswahl hatten die Proteste ausgelöst.
Das Parlament ernannte Ischenbai Kadyrbekow zum amtierenden Präsidenten. Zudem übertrug das Parlament dem Koordinierungsrat der Opposition die Befugnisse einer provisorischen Regierung. Der erst am Donnerstag freigelassene Ex-Geheimdienstchef Felix Kulow übernahm die Führung der Sicherheitsministerien. Aus Bischkek wurden eine Reihe von Plünderungen gemeldet. Die Polizei sei nicht eingeschritten, meldete die Nachrichtagentur Ria-Nowosti.
Präsident Akajew soll sich nach unbestätigten Berichten ins Ausland abgesetzt haben. Die Militärführung der früheren Sowjetrepublik äußerte sich nicht zu den Ereignissen. Russland wies seine im Land stationierten Truppen an, sich aus dem Konflikt herauszuhalten. US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld konnte auf Basis der ihm vorliegenden Geheimdienstberichte die Meldungen vom Verbleib Akajews nicht bestätigen. Bei Bischkek unterhalten auch die USA einen Luftwaffenstützpunkt.
Interfax meldete, Akajew habe per Flugzeug Kirgisien in Richtung Russland verlassen und sei in Kasachstan gelandet. Der Repräsentant der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa, Alojz Peterle, dementierte Gerüchte, Akajew halte sich in den Räumen der OSZE in der kirgisischen Hauptstadt auf.
Die Polizei hatte am Morgen das »Weiße Haus« in der Hauptstadt zunächst abgesperrt. Als die unbewaffneten Demonstranten gegen das Gebäude vorrückten, gaben die Sicherheitskräfte nach kurzem Widerstand den Weg frei.
Verteidigungsminister Essen Topojew und Geheimdienstchef Kalyk Imankulow gerieten vorübergehend in die Hand der Regimegegner.
Im Süden des Landes halten Regierungsgegner seit Mitte März einige Gebiete unter ihrer Kontrolle, darunter auch die zweitgrößte kirgisische Stadt Osch. Nach Einschätzung von Beobachtern wurde Akajew auch das immer ungehemmtere Vorgehen seiner Familie zum Verhängnis, der profitable Wirtschaftsbranchen unter seine Kontrolle brachte.

Artikel vom 25.03.2005