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Ein »Heizungsmonteur« im Talar

Karl-Heinz Kämper: Als Vikar der deutschen Gemeinde in Rotterdam

Brackwede (oh). Ein Erzählcafé mit hohem Unterhaltungswert, das gab es jetzt im Brackweder Bartholomäus-Gemeindehaus für die mehr als 80 höchst amüsierten, aber dann doch wieder auch nachdenklichen Gäste. Der »Verantwortliche«: Karl-Heinz Kämper.

Der Pfarrer und Sozialpädagoge in Ruhestand war schon zum zweiten Mal als »Erzähler aus seinem Leben« zu diesem Montagstreff gekommen. Und er wird das sicherlich noch mindestens ein weiteres Mal tun müssen. Denn was ihm schon im Januar beim ersten Mal nicht gelungen ist - in eine einzige Erzählstunde sein Leben, seine Arbeit, seine Meinungen zu pressen - es gelang auch jetzt nicht.
Zu viele Episoden aus einem ganz und gar nicht grauen Berufs- und Familienalltag, die Kämper in der ihm eigenen menschlichen Art zum Besten gab, wollten erzählt sein. »Wiederkommen, wiederkommen!« - so war es denn auch am »erzwungenen Schluss« nach gut eineinhalb Stunden lautstark von den Zuhörern zu vernehmen.
Es war fast ausschließlich der »niederländische Lebensabschnitt«, über den der 76-Jährige diesmal berichtete. Seine zweijährige »Pastorenlehrlingszeit« von 1955 bis 1957 hatte er nämlich als Vikar in Rotterdam verbracht. Dort gab es zum einen eine deutsche evangelische Gemeinde und zum anderen die Seemannsmission, die der junge Theologe betreuen sollte. »Ich wollte das gute Wort Gottes nicht auf langweilige, sondern spannende und praktische Weise unter die Leute bringen. Und ein bisschen Risiko wollte ich auch«, erklärte Kämper.
Als Theologiestudent in Bonn hatten er und einige Kommilitonen bereits enge Kontakte zu niederländischen Studenten in Amsterdam geknüpft. »Wir wollten als angehende Pastoren nach den grausamen Zeiten des Krieges Brücken bauen zu den Holländern. Denn dieses Land hatte, wie kaum ein anderes im Westen, unter Hitler gelitten.«
Nun sollte es Rotterdam sein, wo er die Vikarsstelle übernahm. Dabei waren seine junge Frau Erika und Töchterchen Christiane. »Geheiratet hatten wir schon, als ich noch Student war. Das war damals eigentlich nicht möglich und die Kirchenleitung sah das ebenfalls so«, schildert Kämper die Antwort, die er auf seine Anfrage von der Kirchenspitze bekam. »Wir haben aber dennoch geheiratet und pünktlich neun Monate später kam auch unser erstes Kind.«
In Rotterdam wurde die junge Familie nicht gerade mit Begeisterung erwartet - »zu groß war damals noch der Deutschenhass, die Antipathie«. Wie schwer es sei, Versöhnung zu schaffen, das lernten sie damals. »Es geht nur miteinander«, betont Karl-Heinz Kämpfer. »Und besonders gut über die Kinder, die so viel unbekümmerter Kontakte knüpfen.« Übrigens: Bis heute haben er und seine Frau gute Freunde in Rotterdam. Und sie haben dort letztlich auch gute Jahre verbracht. Mit einer Aufgeschlossenheit, wie sie in Deutschland damals nicht möglich war. Selbst der Spaß kam nicht zu kurz.
Wenn nämlich in der Kirche die uralte Heizung wieder einmal ihre Mucken hatte und in kurzen Abständen Wasser nachgefüllt werden musste. »Dann habe ich sonntags mitten in der Predigt ein "Zwischen-Amen" eingelegt, bin im Talar in den Keller geeilt und habe Wasser nachgefüllt«, beschreibt Kämper die leicht bizarre Situation. Gemeinde und Vikar nahmen sie mit Humor.
Oder die Hausbesuche, zu denen er auf seiner »Vespa« durch die Gegend ratterte. Ein Motorroller, der nicht in allerbestem Zustand und vielfach notdürftig selbst geflickt war. »Selbst die Polizei in Rotterdam kannte mich bald und sagte, wenn sie mich wegen irgendwelcher kleiner Vergehen anhielt: Ach, der Pfarrer der deutschen Gemeinde - fahr weiter.«
Dieser Motorroller musste auch als »Ambulanzfahrzeug« herhalten - als das zweite Kämpersche Kind nachdrücklich seine Ankunft anmeldete. »Ich habe meine Erika auf die Vespa gepackt und wir knatterten über das Kopfsteinpflaster zur Entbindung ins Krankenhaus, wo unser Sohn Matthias geboren wurde.«
Am Ende des zweijährigen Vikariats stand dann 1957 die Rückkehr nach Bethel, wo Kämper das zweite Staatsexamen ablegte.

Artikel vom 24.03.2005