25.03.2005 Artikelansicht
Ausschnitt Zeitungsausschnitt
Drucken Drucken

 

Zum Leben kaum mehr als Sozialhilfe

Karl-Heinz Völkert muss zwei Drittel seiner Pension für demenzkranke Ehefrau abgeben

Von Ulrich Hohenhoff
(Text und Foto)
Brackwede (WB). Karl-Heinz Völkert (77) ist »stinksauer«, versteht die Welt nicht mehr. 47 Jahre lang hat er als Postbeamter hart gearbeitet, sich seine Pension redlich verdient, ist stolz auf das, »was ich mit meiner Hände Arbeit geschaffen habe«. Fast zwei Drittel seiner Ruhestandsbezüge muss der geistig und körperlich »topfite« Pensionär jetzt abgeben.

Für seine zweite Frau Helga (79), die als Schwerstpflegefall in einem Heim untergebracht ist. Karl-Heinz Völkert will sein Schicksal öffentlich machen, »weil es viele ähnlich Betroffene gibt, die nirgendwo Gehör finden«.
Vielen Brackwedern ist Karl-Heinz Völkert bestens bekannt. Als Postzusteller war er bei Wind und Wetter unterwegs, arbeitete im Paketzentrum und unterstützte seine damalige Frau Elfriede, die die Poststelle im Südwestfeld betrieb. Als 17-Jähriger kam er aus der Kriegsgefangenschaft, baute sich gemeinsam mit seiner Frau eine Existenz auf. Das Ehepaar zog zwei Kinder groß. Für Karl-Heinz Völkert, der mit seiner Meinung in allen Lebensfragen nie hinter dem Berg hielt, ein schwerer Schicksalsschlag, als seine erste Frau 1987 nach langem Leidensweg an Krebs starb.
»Ich konnte einfach nicht allein sein«, sagt der lebenslustige Pensionär. Kurzerhand reiste er nach Mecklenburg-Vorpommern. »Dort wohnte meine Jugendliebe«. Die beiden fanden zusammen, heirateten 1990. Doch das späte Glück war nicht von langer Dauer. Nur neun Jahre später erkrankte Helga an Demenz, wurde von Karl-Heinz Völkert zunächst zu Hause liebevoll umsorgt, kam dann in die Tagespflege. »Und die war auch schon ganz schön teuer«, erinnert sich der Pensionär. »Aber ich habe gern gezahlt, schließlich sollte es meine Frau gut haben«. Vor zwei Jahren ging nichts mehr. Die Erkrankung war so weit fortgeschritten, dass sich Karl-Heinz Völkert überfordert sah. Schweren Herzens stimmte er der Verlegung in ein Altenzentrum zu.
Und das brachte die Kostenlawine ins Rollen. Die bescheidene Rente seiner Frau »ging ebenso drauf wie das in vielen Jahren Ersparte«. Als die demenzkranke Frau mehrfach aus ihrer neuen Heimstatt verschwand, bekam sie die fristlose Kündigung. »Meine Helga sollte vom einen zum anderen Tag dort verschwinden, ihre Habseligkeiten hatten die Mitarbeiter in eine Mülltüte gestopft. »Entwürdigend«, erinnert sich Karl-Heinz Völkert an den Oktober vergangenen Jahres. Im »Jochen-Klepper-Haus«, einer auf Demenzkranke spezialisierten Einrichtung, fand der Brackweder dann eine neue Unterbringungsmöglichkeit für die verwirrte Frau. »Es hat mir das Herz gebrochen, aber es half nichts. Sie ist dort einfach in guten Händen«.
Zwei Mal in der Woche besucht Karl-Heinz Völkert die 79-jährige. Was ihn besonders schmerzt: Seine Frau erkennt ihn nicht mehr, zeigt keinerlei Gefühlsregungen. Sage und schreibe 3 930,07 Euro kostet die Unterbringung im Doppelzimmer. Eine Summe, die Völkert natürlich nicht aufbringen kann. 1 432 Euro zahlt die Pflegeversicherung, die eigene Rente der Frau von 771 Euro ist ebenfalls weg, Sparbücher längst aufgelöst. Auch der verbleibende Differenzbetrag ist für den pensionierten Postbeamten zu viel.
»Ich zahle jetzt schon jeden Monat 900 Euro dazu«. Beim Sozialamt musste Völkert alles offenbaren, was er an Einnahmen hat. Sein Beitrag für die Unterbringung wurde nochmals erhöht. »Von meiner Pension darf ich jetzt nur noch 690 Euro behalten, kaum mehr als jeder Sozialhilfeempfänger bekommt«. Und das findet der 77-jährige empörend. »Abgeordnete, Minister, Beamte, Krankenkassenvorstände und viele andere - alle langen kräftig zu. Mir bleibt nach einem so langen Berufsleben, in dem ich immer meine Pflicht erfüllt habe, kaum etwas für ein lebenswertes Leben«.
Seinen beiden Kindern und den vier Urenkeln hat er ein letztes Geschenk gemacht. »Denen konnte ich früher immer mal wieder einen Hunderter zustecken, ihnen damit helfen und eine Freude machen«, ist Karl-Heinz Völkert zornig. »Jetzt ist Schluss, es geht einfach nichts mehr und das tut verdammt weh. Auch wenn die Gesetzeslage so sein mag, irgendwo stimmt etwas nicht mehr in diesem Lande, wenn man nach so langer Berufsarbeit dermaßen gebeutelt wird!«

Artikel vom 25.03.2005