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Glosse

Halt' doch mal die Luft anÉ


Also, was alles so dahergeredet wird in unseren deutschen Landen! Viele dieser lausigen Lach-, Leer- und Lehrnummern sind atemberaubend. Die Dauer-Serie reißt nicht ab. Klar, dass die Medien-Welt das willkommene Futter genüsslich wiederkaut und für das verehrte, nach immer neuen »Kicks« lechzende Publikum genüsslich wiederkaut.
Unvergessen zum Beispiel der nassforsche Junge-Union-Vorsitzende Philipp Mißfelder, der das Wasser nicht halten konnte, als er mit einem nachgerade bahnbrechen Einfall aufwartete: Älteren Menschen sollten Krankenkassenleistungen wie etwa Prothesen fortan nicht länger gewährt werden.
Vielleicht auch dadurch befeuert machte sodann auch eine andere Plaudertasche mächtig von sich reden: Jan Dittrich, Chef der Jungen Liberalen in der FDP, ein Generationskollege Mißfelders, mit 28 Lenzen freilich keineswegs mehr im pubertären Jung-Bubi-Alter.
»Alte, gebt den Löffel ab!« trompetete er in die Runde. Doch irgendwie bekamen die Leute die Botschaft in den völlig falschen Hals. Und siehe da, plötzlich war der Flaps seinen schönen »Juli«-Vormann-Posten los.
In dieser Woche nun vergaloppierte sich so ein bisschen auch Verbraucherschutz-Ministerin Renate Künast von den Grünen.
Ziemlich unbedacht und missverständlich verkündete sie mit gestrengem Blick auf die deutsche Dickmacher-»Ernährungspyramide«, übersüße Limonaden und Cola-Getränke seien »besonders stark unter Verbrauchern mit niedrigem Bildungsgrad verbreitet«. Hoppla, hier diskriminiert doch nicht etwa ausgerechnet ein Kabinettsmitglied der feurig-grünen Anti-Diskriminierungspartei gleich eine ganze Bevölkerungsgruppe?
Ach, und dann ist da schließlich auch noch Karin Clement, die Ehefrau jenes Wolfgang Clement, den Kanzler Gerhard Schröder so hoffnungsfroh als Superminister in die Bundesregierung geholt hatte, dessen Stern seither aber erheblich gesunken ist, weil auch er kein wirksames Mittel gegen die dramatisch weiter wachsende Massenarbeitslosigkeit findet.
»Jeder, der einen Job will, der kriegt ihn auch«, befand Karin Clement im Verlaufe eines lockeren Reportagegesprächs mit der »Welt am Sonntag«. Diese, mit Verlaub, sehr schlichte Sicht der Dinge findet naturgemäß keinerlei Zuspruch. Was unschwer nachzuvollziehen ist in Zeiten, in denen ringsumher tagtäglich Nachrichten wie etwa auch die folgende vom 16. März 2005 Schlagzeilen machen:
»Telekom streicht jährlich 8000 Stellen - Beschleunigter Personalabbau - Gewinne sollen sich mehr als verdoppeln«.
Mißfelder, Dittrich, Künast, Clement und, und, und. Die Gedanken sind frei, gottlob. Aber weniger wäre oftmals mehr - und geradezu ein Glücksfall für uns alle.
Nur, wer auf den großen und kleinen Bühnen dieser wuseligen Welt folgt schon beständig der zeitlos wahren Lebensweisheit, dass im Zweifelsfalle Schweigen pures Gold sein kann? Rolf Dressler

Artikel vom 24.03.2005