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Eich fällt aus - Stefan Koch fällt auf

Ein Wachwechsel nimmt seinen Lauf: deutsche Langstreckler mit unterschiedlichen Zielen

Von Elmar Neumann
Paderborn (WB). Hinter dem Gitterzaun, der Start- und Ziel-Bereich voneinander trennt, hatte Carsten Eich seinen Fluchtpunkt gefunden. Die Arme vor der Brust verschränkt, den Blick ins Leere gerichtet. Verletzt, frustriert, fassungslos. Für den 35-Jährigen war das 10 Kilometer-Rennen beim 59. Osterlauf nach nur 1500 Metern beendet.
So hatte er sich Paderborn nicht vorgestellt: Carsten Eich war sichtlich enttäuscht.
Während der Kenianer Moses Kipkosgei Kigen in wenigen Metern Entfernung die Glückwünsche für einen souveränen Sieg (28:32 Minuten) entgegen nahm, sprach der (nieder-)geschlagene Streckenrekordhalter von »verlorener Zeit«. Schon seit Beginn des Jahres von hartnäckigen Problemen im Sprunggelenk geplagt, hatte der für Rhein-Marathon Düsseldorf startende Eich seine Saison-Planungen kurzfristig umgestellt.
Statt bei den 29. deutschen Halbmarathon-Meisterschaften im thüringischen Ohrdruf seinen Titel zu verteidigen, war der laufende 1,90-Riese in ein dreiwöchiges Trainingslager nach Andalusien geflogen und erst einen Tag vor dem Startschuss in Paderborn in Düsseldorf gelandet. »Ich habe wirklich intensiv trainiert und bin mit einem sehr guten Gefühl nach Deutschland zurückgekehrt, aber wenn der Fuß jetzt wieder hinüber ist, ist der Effekt natürlich gleich Null. Dann war es verlorene Zeit«, sagte der mehrfache Olympia-Teilnehmer. Nur 1000 Osterlauf-Meter lief es für den (einstigen) deutschen Vorzeige-Langstreckler rund, »dann hat es mir den Fuß zerrissen«. 500 Metern schmerzhaften Humpelns folgte die endgültige Aufgabe.
Routinier Eich fällt aus - Top-Talent Stefan Koch fällt auf. Spätestens seit seinem Titelgewinn bei den »Deutschen« in Ohrdruf gilt der Wattenscheider als die große DLV-Hoffnung auf der Langstrecke. Diesem Ruf wurde der 20-Jährige auch in Paderborn gerecht. Zwar reichte es natürlich (noch) nicht, um in die schwarzafrikanische Phalanx einzubrechen, aber den Titel »bester Deutscher« sicherte sich Koch mit Rang neun (30:03 Min.) über die 10 Kilometer-Distanz unangefochten - und das mit gemäßigtem Kraftaufwand. »Der Paderborner Osterlauf dient mir als Vorbereitung auf den 10 000 Meter-Europacup in Spanien am kommenden Wochenende. Deswegen habe ich nach der Hälfte der Strecke das Tempo rausgenommen. Insgesamt habe ich vielleicht 80 Prozent meines Potenzials abgerufen«, so Koch, der unter spanischer Sonne die Norm für die U 23-EM in Erfurt (29:35 Min.) knacken will.
Koch im Blickpunkt, der 15 Jahre ältere Eich die tragische Randfigur. So nimmt ein Wachwechsel seinen Lauf. Aber Eich warnt davor, zu früh zu viel von seinem designierten Nachfolger zu erwarten: »Man sollte Stefan nicht so hoch jubeln, ihn stattdessen in Ruhe arbeiten, sich langsam entwickeln lassen.« Eichs Entwicklung fand vor zwölf Jahren ihren Höhepunkt. Damals stellte er einen Halbmarathon-Europarekord auf und lief den »Zehner« in der Domstadt so schnell (27:47 Min.) wie kein anderer Athlet vorher oder nachher. Diesen Rekord hat er und dabei wird's nach eigener Einschätzung wohl auch bleiben: »Diese Osterlauf-Bestmarke erscheint mir sehr stabil.« In jedem Fall stabiler als sein Fußgelenk.

Artikel vom 29.03.2005