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»Jeder Mensch
kann jederzeit
Opfer werden«

Hilfsorganisationen stellten sich vor

Bielefeld (hz). »Jeder Mensch kann jederzeit Opfer werden«, sagt Thomas Niekamp vom Sozial- und Kriminalpräventiven Rat der Stadt. Und Opfer, die schreckliche Geschehnisse nach Straftat oder Unfall zu verarbeiten haben, brauchen Hilfe. Wo und in welcher Vielfalt es die gibt, darüber wurde gestern auf dem Jahnplatz informiert.

Zum zweiten Mal fand dort der »Tag der Kriminalitätsopfer« statt. 14 Hilfsorganisationen vom Frauennotruf über die Polizei bis zum Weißen Ring stellten im Herzen der Innenstadt sich und ihre umfangreichen Möglichkeiten vor.
Und das waren bei weitem nicht alle Organisationen, die Opfern in Bielefeld Unterstützung zuteil werden lassen. Im Netzwerk Opferhilfe sind um die 50 Vereine zusammengeschlossen, so Hauptkommissar Hans-Werner Christ, Opferschutz-Beauftragter der hiesigen Polizei. Christ: »Im Vergleich zu anderen Städten haben wir in Bielefeld sehr viele individuelle Möglichkeiten der Hilfe.«
Und die werden offenbar immer stärker in Anspruch genommen. »Die Zahlen steigen«, sagen Thomas Niekamp und Hans-Werner Christ. Zum einen, weil es wegen der Jahr für Jahr wachsenden Kriminalität immer mehr Betroffene gibt. Zum anderen, meint Ode van Hove, stellvertretender Leiter des Versorgungsamtes Bielefeld, sprächen sich die Hilfsangebote immer mehr herum. Allein seine Behörde habe im vergangenen Jahr OWL-weit 570 Anträge auf Opferentschädigung zu bearbeiten gehabt. 2002 seien es lediglich 410 Fälle gewesen.
Finanzielle Hilfe leistet zudem die Stadt Bielefeld: 2,938 Millionen Euro stehen im kommunalen Haushalt für den Opferschutz und die Beratung bereit, erklärte gestern Verwaltungssprecher Dietmar Schlüter.
Und auch aktuell in den ersten drei Monaten dieses Jahres war wieder Hilfe nötig. Beispielsweise für die Opfer des bewaffneten Serienräubers, der seit Monaten in Bielefeld Tankstellen und Videotheken überfällt und dabei Kassierer mit Reizgas attackiert. »Gestandene, breitschultrige Kerle«, so Niekamp vom Sozial- und Kriminalpräventiven Rat, »waren völlig fertig«, weil ihnen zur Nachtzeit plötzlich ein Maskenmann mit Waffe in der Hand gegenüberstand und Bargeld aus der Kasse forderte.
Ein zweites Beispiel sei der Schuss eines Kriminalhauptkommissars am 11. Februar in der McDonald's-Filiale am Jahnplatz gewesen, ergänzt Polizist Hans-Werner Christ. Zwei sechs und sieben Jahre alte Kinder hätten aus nächster Nähe erlebt, wie der Kripobeamte seinen geistig verwirrten und mit einem großen Messer bewaffneten Angreifer töten musste. In diesem Fall habe man den kleinen Augenzeugen psychologische Hilfe geleistet.
Polizeibeamte seien bereits seit sechs Jahren entsprechend sensibilisiert zu erkennen, ob ein Opfer nach Straftat oder Unfall fachliche Unterstützung braucht, betonte Hauptkommissar Christ. »Opferschutz ist Aufgabe eines jeden Polizeibeamten«, erklärt der Mitarbeiter des Kommissariates Vorbeugung.
Seit 1999 gebe es diesen Auftrag, der allerdings nicht auf den Direktbetroffenen von Straftat oder Unfall beschränkt sei. Christ: »Auch Zeugen oder Familienangehörige können Opfer sein und haben Schwierigkeiten, Erlebtes zu verarbeiten, weil immer wieder Bilder vom Geschehen vor dem geistigen Auge hochkommen.«

Artikel vom 23.03.2005