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Koma-Patientin Terri Schiavo
erhält weiter keine Nahrung

Entscheidung eines Bundesrichters - Eltern rufen Berufungsgericht an

Von Gabriele Chwallek
Washington/Tampa (dpa). Mit einem schweren Rückschlag für die Eltern der Koma-Patientin Terri Schiavo und den US-Kongress hat ein Bundesrichter gestern die Wiederaufnahme der Nahrung für die Kranke verweigert.
Bundesrichter James D. Whittemore.

Damit waren Mutter und Vater Mary und Bob Schindler gezwungen, als nächsten Schritt ein Bundesberufungsgericht anzurufen. Im Fall eines Scheiterns auch dort bliebe dann praktisch nur noch der Zug vor den Obersten Gerichtshof der USA, der es aber schon einmal abgelehnt hatte, sich mit dem Fall zu beschäftigen.
Damit tickt die Uhr: Terri Schiavo ist bereits seit Freitag ohne Nahrung, das heißt, sie trocknet langsam aus und könnte nach Einschätzung der Ärzte im Laufe der kommenden Woche sterben. »Barbarisch« nannte der Bruder der schwer hirngeschädigten 41- Jährigen, Bobby Schindler, die Entscheidung von Bundesbezirksrichter James Whittemore in Tampa (Florida), der mit seinem Spruch zugleich dem US-Kongress eine schallende Ohrfeige verpasst hatte.
Auf Betreiben der Republikaner war, wie gestern ausführlich berichtet, in einer nächtlichen Aktion ein Gesetz durchgepeitscht worden, das den erbittert um das Leben ihrer Tochter kämpfenden Schindlers das Recht eingeräumt hatte, den Fall nun vor Bundesgerichte zu bringen. Damit erhofften sich die Republikaner zumindest eine Aufschub für Terri Schiavo, die seit 15 Jahren in einem Wachkoma liegt - eine Rechnung, die zunächst nicht aufging.
Whittemore kam zum Schluss, es gebe keine »ausreichende Wahrscheinlichkeit«, dass die Argumente der Eltern auf der Bundesgerichtsebene zu einer anderen Entscheidung führten als bei den staatlichen Instanzen Floridas. Dort war dem Ehemann der 41-Jährigen, Michael Schiavo, das Recht zugestanden worden, seine Frau sterben zu lassen. Noch am Montagabend hatte er seine Entschlossenheit bekräftigt, Terris mündlich geäußerten Wunsch, im Fall eines Siechtums sterben zu können, durchzufechten - »bis zum Ende«. Wenn Terri sterbe, werde sie ihren Frieden finden, »sie wird bei Gott sein. Und das ist es, was sie will.«
Schon im Laufe des Montags war der Optimismus, den der Kongressbeschluss bei den Eltern und anderen Verfechtern des Weiterlebens der Kranken ausgelöst hatte, zusehends geschwunden, nachdem die Entscheidung des Bundesrichters immer länger auf sich warten ließ. »Ich habe aber immer noch Vertrauen«, machte sich Bobby Schindler selbst Mut, als er am Montagabend seine Schwester im Hospiz in Clearwater besuchte. Wie er schilderte, werde es zunehmend quälender, Terri ins Gesicht zu sehen und sich vorzustellen, wie sie »langsam aber sicher verdurstet«.
Dass im Mittelpunkt der erbitterten Auseinandersetzung ein Mensch steht, der einst lachte, weinte, sein Leben plante und Kinder haben wollte, war zu diesem Zeitpunkt indessen weitgehend in den Hintergrund gerückt. Es war vielmehr der von Kritikern als verfassungswidriger Verstoß gegen die Gewaltenteilung im Land angeprangerte Schritt des Kongresses, der die Schlagzeilen beherrschte und die Öffentlichkeit erregte. Und ermutigend war auch das nicht für die Schindlers: In mehreren Umfragen verurteilte jeweils eine beachtliche Mehrheit das Vorgehen des Kongresses scharf und schlug sich auf die Seite des Ehemanns.
Der von den Eltern als gewissen- und herzlos beschriebene Michael Schiavo versuchte unterdessen zu erklären, warum er erst nach acht Jahren - 1998 - damit begonnen habe, für das Sterben seiner Frau zu kämpfen. Er habe ganz einfach immer noch gehofft, dass sich der Zustand seiner Frau verbessern werde, erklärte er. »Aber ein Gehirn lässt sich nicht reparieren.« Nun erhalte seine Frau die Möglichkeit einzuschlafen, fuhr Michael Schiavo fort. Entgegen der Darstellung der Eltern sei es kein qualvoller Tod, und das wurde auch von medizinischen Experten bestätigt. Aber auch der Ehemann räumte ein, wie immer auch der Streit ausgehe: »Es gibt kein Happyend.«

Artikel vom 23.03.2005