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Weniger Geld
für Lehrgänge

Staat nimmt Arbeitslosen Chancen

Von Dietmar Kemper
Bielefeld (WB). Obwohl das Interesse an Weiterbildung groß ist, kürzt die Bundesagentur für Arbeit den Etat. 2004 gab sie im Vergleich zum Vorjahr 29 Prozent weniger für Lehrgangskosten und 26,8 Prozent weniger für den Unterhalt der Teilnehmer aus.

Machte das Arbeitsamt Bielefeld 2003 noch 15,5 Millionen Euro für Lehrgänge locker, waren es im Jahr darauf nur 11,7 Millionen. Dabei ist erwiesen, dass Weiterbildung hilft. Bei der letzten bundesweiten Erfolgskontrolle durch den Deutschen Industrie- und Handelskammertag (DIHK) bestätigten 70 Prozent der Befragten: Wir haben dank Weiterbildung den beruflichen Aufstieg geschafft. Vor deren Beginn seien 4,4 Prozent ohne Beschäftigung gewesen, danach nur noch 1,9 Prozent, sagte Dietmar Mann dieser Zeitung. Bei der IHK Ostwestfalen zu Bielefeld ist er Referent für kaufmännische Fortbildungsprüfung.
»Weiterbildung wird zurückgefahren, die Ein-Euro-Jobs werden gefördert«, beschreibt Angelika Klahr die Politik der Arbeitsagenturen. Die Zahl der Lehrgänge sei bundesweit um etwa 30 Prozent zusammengestrichen worden, sagte die Mitarbeiterin des Dachverbandes der gewerkschaftlichen Arbeitslosengruppen (KOS).
Durch die Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe zum Arbeitslosengeld II sei jede fünfte erwerbslose Frau im Osten vom Zugang zu Weiterbildungsmaßnahmen abgeschnitten worden. Angelika Klahr: »Weil ihre Partner gut verdienen, bekommen sie kein ALG II und fallen damit auch aus der Weiterbildung der Arbeitsagenturen heraus.«
Kein Verständnis für die Politik der BA hat auch der Geschäftsführer der Studiengemeinschaft Darmstadt (sgd), Hans-Peter Benstein: »Wir haben unseren Kursen attestieren lassen, dass sie förderfähig sind, und dann werden die Etats zusammengestrichen.«
Nicht einmal zehn Prozent der gut 160 Fernlehrgänge mit monatlichen Kosten von 100 bis 180 Euro würden vom Staat finanziell unterstützt. Trotzdem verzeichnet die sgd seit Jahren »kontinuierlich steigende Teilnehmerzahlen«. 35 000 Männer und Frauen setzten 2004 auf Fernunterricht. »Die Wirtschaftskrise verleiht unserer Branche Aufwind«, gibt Benstein zu und berichtet, dass viele Teilnehmer neben dem Beruf das Abitur nachmachen.
»Es geht nicht darum, möglichst viele Scheine zu sammeln, sondern sich gezielt in seinem Beruf weiterzubilden«, mahnt Dietmar Mann von der IHK. Wer Lehrgänge in verschiedenen Berufen absolviere, drohe sich zu verzetteln. Dietmar Mann: »Patchwork-Weiterbildung ist nicht sinnvoll.« Das Sammeln von Zertifikaten könne ein Grundproblem ohnehin nicht aus der Welt schaffen, betont Angelika Klahr vom Arbeitslosenverband: »Ohne Jobs gehen hochqualifizierte Arbeitslose mit 100 Lehrgangsbescheinigungen trotzdem leer aus.«

Artikel vom 22.03.2005