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Die Turnhalle ersetzt die Disco

Großer Druck lastet auf Hambüchen

Cottbus (dpa). Die ganz großen Erfolge lassen noch auf sich warten. Dennoch kann Fabian Hambüchen schon in Kürze eine Popularität in Deutschland erreichen, wie sie Eberhard Gienger erst nach dem Gewinn der Weltmeisterschaft 1974 erlangte.

Beim ersten Saison-Auftritt vor deutschem Publikum in Cottbus rissen sich die Fernsehstationen so um Interviews des Turn-Youngsters, dass sein Management schon die »Notbremse« ziehen musste, um den Jungstar zwischen den Wettkämpfen auch eine verdiente Pause zu gönnen.
»Ich habe dieses Jahr viel vor, zunächst gilt meine volle Konzentration der Europameisterschaft im Juni. In der zweiten Jahreshälfte ist dann natürlich die Weltmeisterschaft im australischen Melbourne das absolute Highlight«, gab der Gymnasiast in der Lausitz seine Saison-Planung preis. Mit einem vierten Platz am Paradegerät Reck und Rang fünf am Barren wies er mit seinen neuen Übungen zu Beginn des nacholympischen Jahres bereits die Zugehörigkeit zur Weltelite nach, auch wenn für Siege bislang noch die Stabilität fehlte.
Während am Reck der Schwierigkeitsgrad seiner Übung schon goldwürdig ist, muss der Wetzlarer am Barren bei einem Ausgangswert von 9,7 noch etwas zulegen. »Es fehlt mir ein E-Teil, daran arbeite ich im Training. Ob es schon bis zur EM etwas wird, kann ich heute noch nicht sagen«, meinte der »Professor«, der sich seinen Spitznamen bei Olympia erwarb, als er wegen defekter Kontaktlinsen mit einer Brille an die Geräte ging.
Die hohen Ziele fordern von dem Noch-Junior allerdings viele Entbehrungen. »Seine Disco ist die Turnhalle«, sagt sein Vater und Trainer Wolfgang Hambüchen. »Ich müsste lügen, wenn ich sage, ich gehe lieber in die Halle als in die Disco. Aber zur Zeit passt das nicht rein in meine Planungen«, gestand Deutschlands Turn-Hoffnung, der als einziger aus der Olympia-Riege einen Sponsor (Henkel) an seiner Seite weiß, der einiges möglich macht. So ist in den Sommerferien ein dreiwöchiges Trainingscamp in Japan geplant.
»Das deutsche Turn-Publikum will mal wieder einen deutschen Sieger sehen. Der Druck auf Fabian wird damit immer größer«, warnte Ex- Weltmeister Eberhard Gienger, der Vizepräsident des Deutschen Turner-Bundes (DTB). Tatsächlich zeigte Hambüchen bei den drei Weltcups in Stuttgart, Nassau/USA und Cottbus nach geschaffter Qualifikation jeweils im Finale Nerven und konnte sein Potenzial nicht voll ausspielen.
»Trotzdem bin ich stolz, dass ich nach meinem Wackler die Übung nicht abgebrochen habe. Platz vier ist insofern noch ganz gut«, gestand er in Cottbus ein. Bei den kommenden Weltcups in Sao Paulo und Gent pausiert der deutsche Shooting Star und wird sich erst beim Länderkampf in der Schweiz Ende April wieder vorstellen. Die anschließenden Meisterschaften im Rahmen des Internationalen Deutschen Turnfestes in Berlin (14. bis 21. Mai) sind dann zugleich die Qualifikation für die europäischen Titelkämpfe in Debrecen (3. bis 6. Juni).

Artikel vom 22.03.2005