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Annan verlangt UN-Reform

Ärmsten Ländern besser helfen - Sicherheitsrat mit 24 Staaten

New York/Berlin (dpa). Mit einem eindringlichen Appell an alle Regierungen der Welt hat UN-Generalsekretär Kofi Annan zur umfassendsten Erneuerung der Vereinten Nationen in deren 60-jähriger Geschichte aufgefordert.
Zu seinem Rettungsplan für die angeschlagene Weltorganisation gehören die Erweiterung des Sicherheitsrates von 15 auf 24 Mitglieder, die Umwandlung der Menschenrechtskommission in ein effektiveres Gremium, eine bessere Rechnungsführung und eine deutlich stärkere internationale Hilfe für die ärmsten Länder.
Deutschland, das einen ständigen Sitz im Sicherheitsrat anstrebt, begrüßte gestern Annans Aufforderung, eine Erweiterung dieses wichtigsten Entscheidungsgremiums rasch unter Dach und Fach zu bringen. Die Bundesregierung sagte zudem Unterstützung für das gesamte Reformpaket zu.
Das Erneuerungsprogramm, das nach einem Begriff aus der UN-Charta unter dem Motto »In größerer Freiheit« steht, soll im September von einer Gipfelkonferenz der Staats- und Regierungschefs bestätigt werden.
Ehe Annan das Dokument gestern formell an die 191 UN- Mitgliedstaaten übergab, warnte er vor einem Auseinanderdividieren der einzelnen Reformvorhaben. »Ohne Sicherheit werden wir keine Entwicklung genießen können und ohne Entwicklung keine Sicherheit, und beides werden wir nicht erleben ohne Respekt für die Menschenrechte.«
Zwei Jahre nach dem Beginn des Irak-Krieges, für den der Sicherheitsrat unter Führung Frankreichs und des damals zeitweiligen Ratsmitglieds Deutschland den USA ein Mandat versagte, fordert Annan nun klare Kriterien zur Erteilung einer UN-Erlaubnis für die Anwendung militärischer Gewalt. Außerdem soll es eine völkerrechtlich anerkannte Definition für Terrorismus geben. Im neuen Rat für Menschenrechte, der künftig eng mit dem Sicherheitsrat und der Vollversammlung zusammenarbeiten soll, würden nach Annans Vorstellungen keine Staaten Sitz und Stimme haben, in denen die Menschenrechte verletzt werden.
Der UN-Generalsekretär habe der Reformdiskussion einen »ganz starken, kräftigen und neuen Impuls« gegeben, sagte in Berlin Vize-Regierungssprecher Thomas Steg. Die Bundesregierung unterstütze auch Annans Aufforderung an die Vollversammlung, per Abstimmung über die Erweiterung des Sicherheitsrates zu entscheiden, wenn kein Konsens erreichbar sei.
Für die Erweiterung des Rates bietet das Reformpapier zwei Varianten. Deutschland bevorzugt das so genannte A-Modell, weil nur dieses auch die Aufnahme neuer ständiger Ratsmitglieder vorsieht. Einige Staaten, darunter Italien, treten für das Modell B ein, wonach lediglich weitere nichtständige Mitglieder für zwei bis vier Jahre den Rat verstärken sollen.
Europäische UN-Diplomaten bezeichneten Annans Programm als »möglicherweise letzten großen Versuch zur Rettung der UN«. Neokonservative UN-Gegner in den USA verlangten in letzter Zeit lautstark einen Zahlungsstopp der US-Mitgliedsbeiträge und teils sogar die Ausweisung der Weltorganisation. Ohne die USA namentlich zu nennen, appellierte Annan an Washington, den UN die Chance zur Erneuerung zu geben. In der heutigen Welt mit ihren neuartigen Bedrohungen könne sich »kein Staat, wie mächtig er auch sein mag, auf sich allein gestellt verteidigen«.
In einer Umfrage, die vom britischen Sender BBC in Auftrag gegeben wurde, sprachen sich in 22 von 23 Ländern große Mehrheiten für eine Erneuerung und Stärkung der UN aus. Selbst in den USA erklärten demzufolge 70 Prozent der Befragten, sie seien für eine Erweiterung des Sicherheitsrates. Mehr als die Hälfte der 23 500 Befragten befürworteten eine ständige Mitgliedschaft Deutschlands im UN-Sicherheitsrat. Durchschnittlich stimmten 56 Prozent für Deutschland als neues ständiges Mitglied, während 54 Prozent Japan den Vorzug, wie die BBC gestern berichtete. Seite 4: Kommentar

Artikel vom 22.03.2005