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Tönnies unter Verdacht

Illegale Leiharbeit: Staatsanwalt ermittelt gegen Fleischwerk

Von Ernst-Wilhelm Pape
Rheda-Wiedenbrück (WB). Die Staatsanwaltschaft Bielefeld hat zwei Ermittlungsverfahren gegen Verantwortliche des Fleischwerks Tönnies in Rheda-Wiedenbrück (Kreis Gütersloh) eingeleitet. Dem Unternehmen werden Subventionsbetrug und die illegale Beschäftigung ausländischer Arbeitnehmer vorgeworfen.

Zu Einzelheiten des Verfahrens wollte sich die Schwerpunktabteilung für Wirtschaftsstraftaten nicht äußern. Nach Informationen dieser Zeitung soll Tönnies Schwarzarbeiter, unter anderem aus Rumänien und der Ukraine, beschäftigen. Es bestehe der Verdacht des illegalen Entleihens von Ausländern und des Betruges zum Nachteil der Sozialversicherung. Ferner werde im Fall der Ukrainer eine Visa-Erschleichung geprüft, hieß es in Ermittlerkreisen.
Das zweite Strafverfahren befasst sich mit Subventionsbetrug wegen vermeintlich falsch deklarierter Warensendungen. Dieses Verfahren werde vermutlich eingestellt, da sich der Anfangsverdacht nicht erhärtet habe, so die Ermittler. Die falsche Auszeichnung der Waren könne auch ohne Vorsatz geschehen sein.
Die Firma Tönnies ist nach eigenen Angaben das größte private Unternehmen für Qualitätsfleisch in Europa. Geschäftsführer Clemens Tönnies hatte jüngst erklärt, dass von den insgesamt 4900 Tönnies-Mitarbeitern 2050 über Subunternehmer beschäftigt seien. Menschen aus 32 Nationen arbeiteten für das Unternehmen. Grund für die hohe Zahl an Ausländern sei das rasche Wachstum des Unternehmens gewesen. Die Mitarbeiterzahl sei in wenigen Jahren um 2500 aufgestockt worden.
Aussagen zur illegalen Arbeitnehmerüberlassung bei Tönnies will auch der ehemalige Schlachtarbeiter-Vermittler Wilfried I. (52) aus Versmold (Kreis Gütersloh) machen. Das hat sein Anwalt Michael Rietz (Münster) am Wochenende angekündigt. Sein Mandant wolle sich als Kronzeuge der Anklage zur Verfügung stellen und neue Aussagen über illegale Beschäftigung von Ausländern beim niedersächsischen Schlachthof D&S in Essen (Kreis Cloppenburg), der Firma Tönnies sowie den Schlachthöfen Gausepohl (Dissen) und Barfuss (Oer-Erkenschwick) machen, sagte Rietz. Der Anwalt schätzt den Schaden, der durch Betrug der Sozialversicherung entstanden sei, auf fünf bis zehn Millionen Euro. Der SB-Wurstspezialist Barfuss gehört seit September 2004 zur Firmengruppe Westfleisch (Münster).
Der ehemalige Schlachtarbeiter-Vermittler war im Juli 2004 vom Landgericht Oldenburg zu drei Jahren und drei Monaten Haft sowie 72 000 Euro Strafe verurteilt worden. Er befindet sich in der Außenstelle Oelde der Justizvollzugsanstalt Bielefeld-Brackwede im offenen Vollzug.
Seite 2: Kommentar
Wirtschaft: weiterer Bericht

Artikel vom 21.03.2005