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Stein für Stein ein echtes Kunstwerk

Altstadt-Granit: Erste Lieferung aus China im Mindener Hafen eingetroffen - Baubeginn am 29. März

Von Michael Diekmann
und Bernhard Pierel (Fotos)
Bielefeld/Minden (WB). »Gut sehen sie aus«, sagt Hans Martin und streicht mit der Hand behutsam den feinen Staub von der Oberfläche. Ein großer Tag für den Leiter des Amtes für Verkehr. Vor wenigen Wochen hatte er den Steinbruch im chinesischen Nan an besichtigt, jetzt ist die erste Lieferung für die Bielefelder Altstadt im Mindener Westhafen angekommen. Am 29. März beginnt die Pflasterung der guten Stube.

Zusammen mit Georg Fortmeier, dem Vorsitzenden des Stadtentwicklungsausschusses, sowie Reinhard Thiel und Hermann Benkelberg (Amt für Verkehr) hatte man sich am Montag an der Pier in Minden mit Steinlieferant Heinrich Brüggenthies getroffen, um die heiß diskutierte steinerne Zukunft der Altstadt ins Visier zu nehmen. »Für mich sieht das sehr gut aus«, unterstreicht Georg Fortmeier, lobt den lebendigen Charakter des Natursteins aus den chinesischen Granitbrüchen.
Am Rand des großen Terminals, wo Riesenkräne Container um Container stapeln, stehen die ersten 250 Kisten aus China auf Abruf. Jeweils 1,7 Tonnen schwer, sind sie fortlaufend nummeriert und von Lieferant Brüggenthies aufgelistet. Sein Klinker&Naturstein Kontor hat Erfahrung mit solch schwerer Fracht für deutsche Fußgängerzonen. Die Fachleute verlieren sich in Fachgesprächen. Da ist nur noch von der Nummer 623 die Rede und der Nummer 682: gestockt oder rötlich geflammt, grau oder gelb. Dazu gibt es verschiedene Größen für die Fußwege und Straßenflächen, als abgeschrägte Bordeinfassung und als Rinnstein. Dazu werden Plätze wie am Alten Markt, wo am 29. März mit den Arbeiten begonnen wird, farblich anders gestaltet als die Wege.
Bevor in dieser Woche die Experten für Materialprüfung aus Aachen das Material genau unter die Lupe nehmen, Bruchverhalten und Reaktion auf Streumittel testen, hatte Hans Martin bei einigen Steinen bereits erste Mängel entdeckt. Die Unterseite der Stück für Stück von Hand bearbeiteten Steine ist zu glatt, befand der Fachmann: »Die werden zunächst ausgemustert.« Heinrich Brüggenthies will gleich heute in China anrufen und die Handwerker um mehr Sorgfalt bitten. Aus China hatte Brüggenthies auch die Originalflasche Mineralwasser mitgebracht, mit dem die Bielefelder das Nässebild bei schönster Märzensonne simulieren konnten. Urteil der Planer: »Einfach bezaubernd. Fast wünscht man sich mehr Regen. Dann kommen die Farben besonders gut heraus.«
Bereits 21 Tage Hochsee und 16 000 Kilometer hat die kostbare Fracht hinter sich, wenn sie per Binnenschiff aus Hamburg über Elbe und Kanal ankommt. Die wirkliche logistische Herausforderung folgt noch. Schließlich ist erst ein Zehntel der gesamten Fracht eingetroffen. Auf Anforderung der Bauplanung werden per Spedition exakt jene Kisten an die Baustelle vor Ort geliefert, die zur Mischung der Farben im Verhältnis 60:20:20 benötigt werden. Verlegt wird anschließend 50 Quadratmeter pro Tag mörtelfrei in einem Kiesbett. Das Lampenfieber der Planer steigt. Fast wie bei Familie Semmerlings Hausbau: Einmal im Leben...

Artikel vom 22.03.2005