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Unruhe in der Fleischbranche

Verurteilter Schlachtarbeiter-Vermittler kündigt neue Aussagen an

Von Ernst-Wilhelm Pape
Bielefeld (WB). In der Fleischbranche in Deutschland (62 000 Beschäftigte) sollen mehr als 17 000 ausländische Mitarbeiter tätig sein. Das schätzt die Gewerkschaft Nahrung Genuss Gaststätten (NGG).

Viele Firmen zahlen den Billigkräften vor allem aus Polen und Tschechien nach Angaben der Gewerkschaft Stundenlöhne von zwei bis fünf Euro bei Arbeitszeiten von bis zu 14 Stunden am Tag. Einzelne Betriebe arbeiteten fast ausschließlich mit Osteuropäern, die auf der Basis von Werkverträgen zu Bedingungen ihrer Heimatländer in Deutschland tätig seien. Für eine Fabrik von Westfleisch in Hamm nennt die NGG bei 1200 Beschäftigten die Zahl von 1000 derartigen Werkverträgen. Westfleisch, das Unternehmen hat auch Werke in Lübbecke und Paderborn, soll 1147 eigene Mitarbeiter sowie 2034 Arbeitskräfte über Subunternehmer beschäfigten. Bei Tönnies in Rheda-Wiedenbrück sollen neben der Stammbelegschaft von 300 Mitarbeitern zusätzlich 3000 Arbeiter mit Werkverträgen beschäftigt sein.
Der im Juli 2004 bereits verurteilte Schlachtarbeiter-Vermittler Wilhelm I. aus Versmold soll nach Überzeugung der Richter mehr als 1000 rumänische Arbeiter an den niedersächsischen Schlachthof D&S vermittelt haben, ohne die entsprechenden Werkverträge einzuhalten. So bekamen die Rumänen nicht den vereinbarten Lohn und wurden zum Teil für Tätigkeiten eingesetzt, für die der Schlachthof deutsche Arbeiter hätte beschäftigen müssen. Auch die zwei Chefs des Schlachthofes waren wegen illegaler Beschäftigung von Ausländern in großem Stil und wegen Betruges zu Freiheitsstrafen von zwei Jahren und neun Monaten sowie von zwei Jahren auf Bewährung verurteilt worden. Zudem wurden Geldstrafen verhängt. Wilfried I. hat unterdessen neue Aussagen angekündigt, die über die bisher ermittelten Straftaten hinausgehen.
In Niedersachsen hat die Staatsanwaltschaft Oldenburg bei Schwarzarbeiterkontrollen beim Lebensmittelhersteller Stöver in Aldrup (Kreis Oldenburg) einen Erfolg erzielt. Nach der Durchsuchung von Geschäftsräumen und Wohnungen hatten in der vergangene Woche zwei beteiligte Arbeitskräftevermittler in Ostercappeln (Landkreis Osnabrück) Geständnisse abgelegt. Die Höhe des Schadens für die Sozialversicherung sei noch nicht bekannt, sagte Oberstaatsanwalt Gerhard Kayser dieser Zeitung. Ermittelt werde wegen des Verdachts der organisierten Schwarzarbeit und des gewerbsmäßigen Betrugs.
Die Geschäftsführer, der 45-jährige Udo R. und der 46 Jahre alte Udo B., hätten zugegeben, dass in Polen gar keine Verleihfirma existiere, von der sie angeblich Arbeitskräfte für Stöver besorgt hatten. Stattdessen hätten sie alle Geschäfte von Ostercappeln aus geführt. Die Firma Stöver hat die Vorwürfe zurückgewiesen.

Artikel vom 21.03.2005