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»Wir brauchen klaren Auftrag zum Regieren«

Im Gespräch: Landesminister Axel Horstmann (SPD)

Bielefeld (WB). Der Sturz von Heide Simonis belastet die SPD in NRW vor der Landtagswahl am 22. Mai. Ein Interview von Reinhard Brockmann mit Axel Horstmann, SPD-Bezirkschef sowie Landesverkehrs- und Energieminister.
Was bedeutet der Sturz von Heide Simonis für NRW? Horstmann: Ein höchst bedauerliches Ereignis für Schleswig-Holstein. Ich wünsche, dass dort möglichst schnell eine handlungsfähige Regierung kommt. Einen direkten Zusammenhang mit NRW gibt es nicht. Klar ist dennoch. Eine solche Niederlage verbessert die Stimmung nicht.

Kiel wird länger und stärker nachwirken, als Sie es sich wünschen können.Horstmann: Um hier Stimmung und Motivation aufzubauen, kommt ein solcher Vorgang natürlich zur falschen Zeit. Andersherum macht Schleswig-Holstein auch deutlich, wie wichtig es ist, dass jemand mit einem klaren Auftrag ausgestattet wird, eine Regierung zu bilden. Außerdem: Ein klarer Auftrag nutzt auch nur dann, wenn es jemand gibt, der einen klaren Kurs verfolgt. Das ist aus meiner Sicht Peer Steinbrück und nicht Jürgen Rüttgers.

In Kiel ist die Rede von Großer Koalition, in Berlin von einem Pakt für Deutschland, wie können Sie da noch Wähler von Rot-Grün überzeugen?Horstmann: Ich schließe aus Kiel, dass die SPD in NRW darum kämpfen muss, klar stärkste Fraktion und stärkste Partei zu werden, damit Peer Steinbrück Ministerpräsident werden kann. Das steht jetzt im Vordergrund. Koalitionen sind Zweckbündnisse.

Der Bundespräsident rät: Was Arbeit einschränkt, muss zurückstehen. Das ist mit den Grünen nicht durchzuhalten, oder?Horstmann: Wir haben uns mit den Grünen gelegentlich in der vergangenen Legislaturperiode und davor um politische Fragen, die auch mit Beschäftigung zu tun haben, gestritten. Aber die SPD hat sich in all diesen Fragen durchgesetzt - bis zu schwierigsten Entscheidungen. Ich nenne Garzweiler II und die Braunkohle-Verstromung. Das zahlt sich aus. In den nächsten Jahren werden Kraftwerke modernisiert. Die Genehmigungsverfahren einschließlich der Dinge, die Frau Höhn zu erledigen hat, werden nach Recht und Gesetz durchgeführt. In der Energiepolitik aber auch in Fragen der Verkehrsinfrastruktur kommt es zu den Entscheidungen, die im Interesse von Wirtschaft und Arbeit sind.

Die Versorger haben dem Kanzler Investitionen von 20 Milliarden Euro bis 2010 in neue Kraftwerke und Netze zugesagt. In NRW stehen vor solchem Segen laut FDP die Feldhamster. Horstmann: Das ist absolut erledigt und ein Argument von vorgestern. In NRW scheitert kein Kraftwerk an einem Feldhamster oder an irgendeinem anderen Tier. Die Genehmigung für die zwei Braunkohleblöcke mit einem Investment von 2,2 Milliarden, um die es hier geht, wird in Kürze erteilt werden.

Ihre grüner Kabinettskollege, Minister Vesper, hält weitere 2000 Windkraftanlagen in NRW für machbar, Sie auch?Horstmann: Ich glaube, dass der Ausbau der Windkraftnutzung in NRW einer Sättigungsgrenze entgegen geht. Rot-Grün hat die Bedingungen für die Windkraftförderung neu ausgestaltet mit dem Ergebnis, dass an windschwachen Standorten überhaupt keine Anlagen mehr entstehen. Wir haben die Schraube angezogen.

Windkraft kann die gemäß Ausstiegsbeschluss stillzulegende Atom-Kapazität nicht wettmachen, oder doch?Horstmann: Erneuerbare Energien können die auslaufenden Kapazitäten zu einem kleineren Teil ersetzen. Zum größeren Teil wird durch moderne Fossilenenergie-Anlagen, sprich: Kohle und Gas, ersetzt.

Ist die seit Jahrzehnten geplante A 33 für OWL das, was für Holstein die A 20 bedeutet?Horstmann: Rot-Grün hat den Knoten durchgeschlagen. Das ist ausdrücklich in Übereinstimmung mit den vier betroffenen Kommunen erfolgt. Die A 33 ist in OWL kein Wahlkampfthema mehr.

Sie haben also keinen Denkzettel zu befürchten, wie ihn Frau Simonis nach nur einem Jahrzehnt Bauverzögerung bekommen hatHorstmann: Ich denke nicht. Inzwischen kenne ich keine Straße mehr, die einhelliger gefordert wird als die A 33.

Artikel vom 19.03.2005