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Nicht mit Kanonen
auf Spatzen schießen

Unterbringung: Kritik am Amtsgericht geübt

Von Uwe Koch
Bielefeld (WB). Zwei Drohungen, drei harmlose Körperverletzungen und eine Allerweltsbeleidigung - dafür drohte dem Bielefelder Heiner F. (Name geändert) jetzt die Unterbringung in der Psychiatrie. Die 2. Große Strafkammer des Landgerichts zog es am Freitag indes vor, nicht mit Kanonen auf Spatzen zu schießen. Das Verfahren gegen den Gilead-Patienten wurde eingstellt.

Anfang 2003 hatte der 59-jährige Heiner F. zunächst einer Frau mit der Hand auf den Hinterkopf geschlagen, sie an den Haaren gezogen und ihr zudem einen Fußtritt in das Gesäß versetzt. Wenige Tage später hatte er sie obendrein bedroht.
Zuvor, im Oktober und im November des Jahres 2002 hatte er in einem Bielefelder Hotel zwei andere Personen bedroht und beleidigt. Wegen dieser Taten hatte die Staatsanwaltschaft auch eine Anklage erhoben und die Sache dem Amtsgericht zugestellt. Einer Amtsrichterin waren nach Eröffnung des Hauptverfahrens allerdings Zweifel an der Schuldfähigkeit des Mannes gekommen. Da somit eine Unterbringung von Heiner F. nicht auszuschließen sei, wurde der Mann psychiatrisch untersucht und die Sache zur Verhandlung an das Landgericht verwiesen.
Dieter Fels, Vorsitzender Richter der 2. Großen Strafkammer, machte gestern an seinem Unmut über dieses Prozedere gar keinen Hehl. »Meinen Ingrimm gegenüber dem Amtsgericht habe ich schon ausgedrückt«, sagte er. In der Sache selbst handele es sich jedoch um geringe, läppische Vergehen, die allenfalls mit Geldstrafen geahndet würden. Aber: Selbst nach Feststellung der Tatvorwürfe »kommt eine Unterbringung nach Paragraph 63 des Strafgesetzbuches aus Rechtsgründen nicht in Betracht«. Die Vorwürfe selbst stellten »keine schwerwiegenden Taten dar«. Obendrein seien Anhaltspunkte für die Erkenntnis, dass der Angeklagte »für die Allgemeinheit gefährlich ist« nicht erkenntlich.
Das gelte vor allem auch angesichts der Vorbelastungen von Heiner B. Der 59-Jährige hatte bereits einmal im Betrugsverdacht gestanden, weil er Kredite bis zu einer Milliarde Mark versprochen hatte. Meinte Fels launig: »Da komme ich einmal privat auf Sie zurück.«
Das gestrige Verfahren jedenfalls wurde mit Zustimmung des Staatsanwalts auf Kosten des Landeskasse eingestellt. Der Vorsitzende beließ es bei einer Ermahnung des Angeklagten, künftig die Medikamente einzunehmen, die ihm in der Klinik verordnet worden sind.

Artikel vom 19.03.2005