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Stadtwerke
drehen Familie
das Wasser ab

Seit einer Woche auf dem Trockenen

Von Ulrich Hohenhoff
und Bernhard Pierel (Foto)
Bielefeld (WB). Der heutige internationale »Tag des Wassers«, ausgerufen von den Vereinten Nationen im Jahr 1992, ist für Ursula und Conrad Jungeilges aus dem Sennestädter Ortsteil Heideblümchen pure Ironie. Sie sitzen nämlich seit gut einer Woche auf dem Trockenen. Grund: die Stadtwerke Bielefeld haben ihnen kurzerhand das Wasser abgedreht - weil das Ehepaar eine Nachzahlung für einen angeblich horrenden Wasserverbrauch nicht zahlen wollen.

Das Ehepaar traute seinen Augen nicht, als ihnen die Rechnung für den letzten Abrechnungszeitraum auf den Tisch flatterte. Sage und schreibe 7 500 Euro verlangten die Stadtwerke als Nachzahlung nur für Wasser-und Abwasser, drohten bei »nicht sofortiger Zahlung« die Sperrung der gesamten Energieversorgung (also auch Strom und Gas) an. Conrad Jungeilges (47): »In der ersten Panik haben wir eine Art Schuldanerkenntnis unterschrieben, uns mit den Stadtwerken auf eine Ratenzahlung geeinigt, zusätzlich zu den ohnehin monatlich fälligen Abschlägen«.
Letztere zahlt der im Haus wohnende Sohn. Der vergaß einmal die Überweisung - und damit nahm das Verhängnis seinen Lauf. »Wir haben die Abschläge sofort beglichen, haben sogar noch 2 000 Euro für die Nachzahlungsforderung überwiesen«, sagt Ursula Jungeilges (45). Nach Angaben des Ehepaares wollten die Stadtwerke nunmehr 700 Euro zusätzlich zu den monatlich fällig Kosten von 375 Euro haben und kündigten den Ratenvertrag.
Der Streit eskalierte. Nach Beratung durch die Verbraucherzentrale schaltete die Familie Jungeilges zunächst eine Schiedsfrau ein. Nachdem auch deren Bemühungen scheiterten, bemühte das Ehepaar den Bielefelder Rechtsanwalt Torsten Giesecke. Und der erfuhr aus eigener Anschauung, was es heißt, sich mit dem Energieversorger anzulegen. »Mir fehlen einfach die Worte. So eine Frechheit von Sachbearbeitern habe ich noch nicht erlebt. Mit den Stadtwerke-Leuten ist einfach nicht zu reden«.
Eine Erfahrung, die auch Familie Jungeilges gemacht hat. »Von Kundenfreundlichkeit war absolut nicht zu spüren«. Niemand habe sich dafür interessiert, wie denn der angebliche Wasserverbrauch zustande gekommen sei. »Sie haben zu zahlen und damit basta«, sei ihnen immer wieder mitgeteilt worden, empören sich Conrad und Ursula Jungeilges über das »unmögliche Benehmen« der Stadtwerke-Mitarbeiter.
Auch auf Schreiben des Rechtsanwaltes gab es keine Reaktion. »Die haben unsere Kanzlei ignoriert, einfach Fakten geschaffen und das Wasser abgestellt«. Am Donnerstag vergangener Woche erwirkte der Anwalt eine einstweilige Verfügung. Doch statt das Wasser schnellstmöglich wieder anzudrehen, schickten die Stadtwerke gestern erst einmal einen Trupp vorbei, der eine Wasserprobe entnahm. »Die Untersuchungsergebnisse gibt es frühestens in drei Tagen, vorher gibt es auch kein Wasser«, wurde der Familie mitgeteilt. »Reine Schikane«, sagt Rechtsanwalt Torsten Giesecke von der Anwalts-Kanzlei Rosteck & Partner.
Giesecke will nun Feststellungsklage einreichen. »Ein derartiger Wasserverbrauch entspricht in keiner Weise dem einer mehrköpfigen Familie. Die haben schließlich kein Hallenbad gebaut«. Eine weitere Ungereimtheit soll dann ebenfalls geklärt werden: nach Auskunft des Rechtsanwaltes behaupten die Stadtwerke, die Familie habe die Zählerstände immer selbst abgelesen. Das bestreiten die Jungeilges: »Zum Ablesen kamen immer irgendwelche Studenten«.
Nachbarn helfen der Familie jetzt mit Eimern voller Wasser. »Das reicht gerade zum Kochen und für die nötigste Körperpflege«. Im Haus wohnen noch die 76-jährige Mutter und der 82-jährige Vater. »Der ist schwer pflegebedürftig, muss jede Woche von der Caritas gewaschen werden. Wir leiden unter den unmöglichen hygienischen Zuständen«.
Die Stadtwerke sahen sich gestern aus Datenschutzgründen nicht imstande, Stellung zu nehmen. Nach Vorlage einer Befreiungserklärung des Rechtsanwaltes wollen sie sich aber äußern.

Artikel vom 22.03.2005