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Von Manfred Matheisen

Bielefelder
Optik

Entfernt theoretisch. . .


Bei der Kommunalwahl am 26. September vorigen Jahres hat es im Wahllokal 15.1 Brackwede Gesamtschule, das zum Wahlbezirk Quelle gehört, eine dicke Panne gegeben. Briefumschläge mit insgesamt 104 Stimmzetteln für Bürgergemeinschaft, Bürgernähe, FDP und PDS sind spurlos verschwunden und konnten bei der von den Liberalen beantragten Nachzählung des Gesamtergebnisses nicht überprüft werden. Deshalb, so die Empfehlung des Kreiswahlleiters Rainer Ludwig, solle in Quelle neu gewählt werden. Der Stadtrat hat sich - bis auf die FDP - dieser Auffassung nicht angeschlossen und lehnt Neuwahlen ab.
Ludwig bezieht sich in seiner Argumentation auf ein Urteil des Oberverwaltungsgerichtes Münster, das eine Nachwahl für erforderlich hält, »wenn die Möglichkeit des Einflusses auf die Sitzverteilung nicht nur eine entfernt theoretische ist«.
Diese theoretische Möglichkeit gibt es in Quelle. Die PDS könnte einen Ratssitz verlieren und die FDP ein Mandat hinzugewinnen. Acht Stimmen hat die PDS voriges Jahr im Wahllokal 15.1 auf sich vereinigt, die Liberalen 26. Macht einen Vorsprung für die FDP von 18 Stimmen. Hätte die FDP gegenüber der PDS mit 39 Stimmen vorn gelegen, wären ihr nach dem komplizierten Verteilungsschlüssel drei statt zwei Mandate zugefallen, die PDS wäre nur mit einem statt mit zwei Abgeordneten in den Rat eingezogen.
Das ursprünglich ausgezählte Ergebnis für die beiden Parteien ist, sieht man das gesamte Bild der Kommunalwahl, plausibel. Es scheint sehr unwahrscheinlich, dass die FDP benachteiligt worden ist und das Ergebnis bei einer Nachzählung zweistellig nach oben hätte korrigiert werden müssen. Und selbst ein dritter Ratssitz hätte an den Mehrheitsverhältnisse im Rat nichts geändert. Allerdings: Mit drei Stadträten erhielten die Liberalen Fraktionsstatus und könnten mit höheren Zuschüssen für ihre parlamentarische Arbeit rechnen.
Wenn ein Ergebnis nach Abwägung aller Umstände schlüssig ist, sollte sehr behutsam mit dem Instrument Neuwahl umgegangen werden. Hinzu kommt, dass ein neuer Urnengang den Wählerwillen vom 26. September vorigen Jahres verfälschen könnte. Auch das spricht gegen die Annullierung des ursprünglichen Ergebnisses.
Die FDP will nach Ostern entscheiden, ob sie den Klageweg vor den Verwaltungsgerichten beschreiten wird. Bis zu einer juristischen Entscheidung würden wahrscheinlich zwei Jahre vergehen. Dann hat der Rat seine »Halbzeit« längst hinter sich. Die Liberalen sollten überlegen, ob ein Rechtsstreit mit höchst unsicherem Ausgang lohnt. Die Bürger wollen Neuwahlen nicht. Mit einer ideenreichen Kommunalpolitik würde die FDP bei ihnen gewiss mehr Punkte machen.

Artikel vom 19.03.2005