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Sie haben Recht. Dieser Eindruck besteht tatsächlich. Man muss Madrid und den Hof seinem Rang entsprechend aufwerten!«
»So sieht es der König auch. Deshalb hat er mich auf diese Reise geschickt.«
»Und was haben Sie ihm vorgeschlagen?«
»Dem Papst und dem König von Frankreich nicht nachzustehen und nur überragende Darstellungen um sich zu versammeln. Einige der besten Leistungen der ganz großen Meister zu erwerben, eben herausragende Historientafeln und Altarbilder. Und was von diesen beweglichen Werken noch zu bekommen ist, und zwar von den allerfeinsten und großartigsten, soll ich ausfindig machen und nach Madrid in Bewegung setzen. Mit erlesenen Glanzleistungen der vornehmsten antiken Figuren und deren Nachformungen kann ich einen Kranz von Gestirnen um die Sonne unseres Königs versammeln.«
»Besser könnte ich es nicht ausdrücken. Doch ich brauche Ihnen nicht zu sagen, dass wirkliche Sterne unglaublich teuer sind und dass deshalb um jeden einzelnen Kauf ein Streit um die Finanzen ausbrechen wird. Sie werden erbitterte Feinde bekommen«, sagt der Marqués sorgenvoll.
»Die haben sich schon zu erkennen gegeben. Wenn es nach denen gegangen wäre, stünde ich jetzt nicht lebendig hier.«
»Was ist passiert? Erzählen Sie!«
Ich berichte ihm in knappen Worten von den Intrigen und Bedrohungen, die mich auf meinem Weg begleitet hatten, angefangen von dem Verrat vor den Toren von Malaga bis zu dem Anschlag auf See. »Das waren Hinterhältigkeiten aus dem Dunkel, die mir klarmachten, dass ich wachsam sein muss.«
»Wenn Sie wissen, vor wem Sie sich hüten müssen, ist viel gewonnen. Missgunst gehört nun einmal zum Erfolg wie der Schatten zum Licht. Aber Sie haben sich ja für den Erfolg entschieden, und gegen diesen werden auch ihre Feinde machtlos sein«, sagt der Marqués aufmunternd. Dann lehnt er sich zurück, atmet tief durch, um Kraft zu sammeln. »Wissen Sie, als ich jung war, war ich beseelt von dem Gedanken, in den Dienst des Hofes zu treten und im engsten Kreis um den Monarchen an großen Entscheidungen beteiligt zu werden. Als ich den Kreis der Ratgeber erreicht hatte, wusste ich, dass ich in eine Schlangengrube gefallen war.«
»Aber mit einem Schlupfloch in viele glanzvoll bebaute Kanäle. Sind die venezianischen Schlangen nicht die schönsten?«, frage ich amüsiert.
Ein Lächeln umspielt kurz seine Mundwinkel, bevor er nachdenklich wird. »Nehmen Sie Gefahren nicht zu leicht! Passen Sie auf sich auf!«
»Ich darf Ihnen versichern, dass ich das tue.«
Nach einer Pause lenkt der Marqués das Gespräch wieder auf meine Mission. »Haben Sie denn schon bestimmte Kunstwerke im Auge, über die Sie verhandeln wollen? Haben Sie bereits große Summen ausgegeben?«
»Nein, nichts! Ich habe vieles Hervorragende auf dem Weg hierher gesehen. Aber die anspruchsvollen Bilder und Figuren werden eifersüchtig gehütet. Diese Seite meiner Aufgabe ist fast noch schlimmer als die Missgunst am Hof von Madrid. Sie können sich kaum vorstellen, welche Demütigungen ich hinnehmen musste von stolzen Bischöfen und dreisten Monsignores, von Prokuratoren von Klöstern und Mitgliedern von Domkapiteln.«
»Und haben Sie nicht klargemacht, dass Sie im Namen unseres Königs sprechen?«
»Durchaus. Aber ich hätte es meist besser unterlassen sollen! Die einen verstanden plötzlich kein Spanisch mehr, und die anderen ließen mich mitten in der Unterhaltung stehen. Es erscheint mir, dass unser König selbst in der Lombardei mehr Abtrünnige und Feinde hat als gehorsame Untertanen.«
»Ein wahres Wort!«, sagt eine tiefe Frauenstimme hinter mir. Ich sehe mich um und erblicke die schlanke, schwarzgewandete Gestalt einer vornehmen Dame. Sie wird von zwei Dienerinnen flankiert und ist ganz offensichtlich die Dame des Hauses. Die dralle Zofe zu ihrer Rechten hält einen schmalen Sonnenschirm an einer langen Stange über sie, während das anmutige Mädchen zur Linken ein Tablett mit einer silbernen Kanne mit Bechern trägt, das es vor uns absetzt. Gleichzeitig erhebe ich mich.
»Ich heiße Sie bei uns willkommen, Señor Velázquez!«, sagt die Dame und schenkt mir ein bezauberndes Lächeln. »Für den königlichen Gesandten einen frisch gepressten Saft aus Früchten der Levante. Er soll Ihnen Gesundheit schenken und frische Kraft.«
Ich verbeuge mich zum Dank: »Sehr aufmerksam. Davon kann man nie genug bekommen. Nach vier Wochen anstrengenden Reisens und erfolglosen Verhandelns kommt man sich manchmal tatsächlich vor wie ein ausgezehrter Bettler.«
Die Marquesa zeigt sich erheitert und mustert mich von oben bis unten: »Der Vergleich hinkt gewaltig, mein edler Herr. Als armseliger Bettler wären Sie anders behandelt worden. Ich vermute, dass manche Dame von Stande É«, sie zögert etwas und blinzelt mich frivol an, »É sich gern einer solchen Bettlergestalt wie der Ihren erbarmt hätte. Ich denke eher, dass die braven Kloster-Prokuratoren Sie als reichen Räuber eintaxiert haben. Aber auch Räuber können einem leidtun und bedürfen der Stärkung!«
Ich lasse mir einen Becher reichen und genieße die heitere Atmosphäre. Die unzweideutige Marquesa scheint ein rechtes Gegenteil der Geschöpfe des Madrider Hofes zu sein. Ihre Freimütigkeit ist ansteckend, und ihre Offenheit mag durchaus von Nutzen sein.
Ich erzähle von den Malern, Bibliothekaren, Geistlichen, Prokuratoren, Nobiles, mit denen ich erfolglos verhandelte: »Sie waren allesamt gegen Spanien und unseren König. Ein einziger, ein Nachkomme der Bassani in Bassano, war verkaufsbereit, aber für zu geringe Werke zu vielfach überhöhten Preisen.«
»Vielleicht haben Sie die Gefühle der Verwalter und Besitzer falsch eingeschätzt, wenn Sie die großen Werke der Bildhauer und Maler ansprachen«, gibt der Marqués mir zu bedenken, »die Stiftungen der Vorfahren sind den Leuten heilig É«
»Das gilt auch für den Ruhm ihrer Kapellen«, ergänzt seine Frau und lässt sich in einen Polstersessel neben mir nieder. »Wenn die Leute wissen, dass ihr wunderbares Altarbild weggetragen wurde, sind sie unsicher, ob die Augen und Ohren der Heiligen noch auf dessen früheren Platz gerichtet sind. Ich würde als Pilgerin auch keinen Umweg machen, um vor irgendeiner Nachahmung zu beten.«
»Sie meinen, die meisten können es gar nicht zugeben, dass sie ein bewundertes Bild verkaufen möchten?«, frage ich.
»Ja. Selbst wenn die Kirchenverwalter Geld brauchen, würden sie die Bereitschaft zu einem Verkauf bis zuletzt verheimlichen.«
»Trotzdem, große Geldsummen werden nicht oft geboten«, wirft der Marqués ein. »Das Signal eines königlichen Interesses zu überhören, kann sich kaum jemand leisten. Wenn ich richtig informiert bin, haben Sie so große Vollmachten, dass mancher Abt oder Schlossherr sich eifrigst um Sie bemühen müsste.«
»Ich habe allen Angesprochenen klargemacht, dass ich angemessen bezahle. Aber auch, dass ich vom Gelde des Königs nichts verschwenden darf. Es muss eine Ehre sein, an ihn etwas zu verkaufen.«
»Da liegt Ihr Irrtum!«, hakt die Marquesa ein. »Ein wertvoller Einkauf zu günstigem Preis mag Ihnen Ehre einbringen, nicht aber einem Mailänder, der den Tag herbeisehnt, an dem die spanischen Soldaten wieder abziehen.«
De la Fuente sieht erschrocken zu seiner Frau: »Ich beschwöre dich, leise zu reden. Ich habe deine rebellischen Worte nicht gehört!«
»Meinen Sie«, wende ich mich fragend an den Gesandten, »es würde meinen Angeboten Nachdruck verleihen, wenn vorsichtig politischer Druck ausgeübt würde? Wenn ein Kloster weiß, dass damit die Einquartierung von spanischen Soldaten abgewendet werden kann, wird es die Huld des Königs vielleicht wieder zu schätzen wissen.«
»Par diez!«, ruft dieser entsetzt. »Vergessen Sie so etwas! Damit treiben wir dem nächsten Volksaufstand zu.«
»Verzeiht! Ich habe mir nur erzählen lassen, wie erfolgreich der Herzog Franz von Modena bei seinen Erwerbungen war. Hat er nicht vor einigen Jahren die wunderbare Heilige Nacht in seinen Palast gebracht und vor kurzem die große Madonna mit dem heiligen Georg? Beide Gemälde vom begnadeten Correggio kamen aus Kirchen in seinem Herzogtum.«
»Sie sollten wissen, dass er über Leichen geht«, empört sich der Marqués. »Wussten Sie, dass er einen Trupp Bewaffneter geschickt hat, welche diese Bilder mit Gewalt von den Altären entfernt haben? Die klagenden Stifter und Geistlichen hat er mit Kopien beruhigt, die sein Hofmaler schnell fertigen musste. So eine rabiate Aktion mag in einem kleinen Herzogtum hingenommen werden, wo alle eng voneinander abhängen. In einem Weltreich geht das nicht.«
»Aber hat der Herzog nicht auch Hervorragendes in Venedig erworben?«
»Hat er! Hat er! Indem er alle hiesigen Agenten anfeuerte, er wäre kaufwillig, ohne auf den Preis zu sehen«, sprudelt die Marquesa heraus, »aber bei den Verhandlungen drückte er die Preise auf weniger als die Hälfte, teilweise auf ein Drittel der Forderungen herunter.«
»Aber er bekam Erstklassiges angeboten, wie ich gehört habe. Das meiste muss er auch günstig erworben haben. Ich gebe zu, so ein Erfolg wäre gut für mich, um meinen König freudig zu stimmen.«

(wird fortgesetzt)

Artikel vom 29.03.2005