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Kunst macht Zeitgeschichte greifbar

1933 bis 1961: Meisterwerke von Barlach und Dix im Schloss Corvey

Von Wolfgang Braun
Höxter (WB). In der Schau »Brücken über die Zeit« bietet sich den Besuchern in Schloss Corvey von Sonntag an eine sehenswerte Auswahl der wohl markantesten Werke deutscher Kunst aus der Zeit zwischen 1933 bis 1961 mit ihren tiefen Zäsuren und Verwerfungen.

Konzipiert wurde die Ausstellung mit 90 Gemälden und Skulpturen von 58 Künstlern - darunter Ernst Barlach, Otto Dix, Max Liebermann, Wilhelm Lachnit, Franz Radziwill - von Dr. Fritz Jacobi, Kustos an der Neuen Nationalgalerie in Berlin aus Beständen dieses Hauses. Sie ist Frucht der im vergangenen Jahr vereinbarten Kooperation zwischen der Stiftung Preußischer Kulturbesitz und dem Museum Corvey. In einigen Jahren wird in Corvey eine Filialgalerie der Stiftung Preußischer Kulturbesitz eingerichtet. 2006 zum Rembrandt-Jahr wird eine Ausstellung mit Radierungen des niederländischen Meisters in Corvey aus Beständen der Stiftung erarbeitet und dann auch in der Bundeshauptstadt gezeigt.
Von Sonntag an erwartet Kunstfreunde eine Ausstellung, in der die Zeitgeschichte greifbar wird: ganz konkret in dem großformatigen berühmten Bildnis des jüdischen Künstlers Max Liebermann von Otto Braun, des letzten demokratisch legitimierten Reichspräsidenten, von 1932. Viel verschlüsselter allerdings in dem gleichwohl farbenprächtigen Ölgemälde »Der traurige Frühling« von Wilhelm Lachnit, in dem er am Vorabend der Machtergreifung Hitlers Botticellis Allegorie des Frühlings aufgreift, aber in der Distanz zum großen Vorbild den Schmerz der Zeit greifbar macht. In seiner gänzlichen Abwesenheit präsent ist der prekäre Zeitbezug in Otto Dix' altmeisterlich vollkommenen Gemälde »Elbsandsteingebirge« von 1938: Dix, der aggressive sozialkritische Realist, hatte sich wie Ernst Barlach oder Käthe Kollwitz in die innere Emigration zurückgezogen.
Der Zäsur nach 1933 folgte die nach 1945: Doch während die Maler im Westen Deutschlands wie Karl Hofer, Willi Baumeister oder Mac Zimmermann den Anschluss an die internationale Moderne und ihre verschiedenen Verzweigungen fanden, machten die im Osten die leidvolle Erfahrung, dass ihnen der »sozialistische Realismus« sowjetischer Prägung mit seinen formalen Parallelen zu Stilelementen der offiziellen Nazi-Kunst aufoktroyiert werden sollte. Trotzdem bleibt wie bei Hans Grundig, Wilhelm Lachnit oder Otto Nagel die künstlerische Eigenständigkeit unübersehbar.
(Die Ausstellung, zu dem ein 117-seitiger informativer Katalog erarbeitet wurde, wird bis zum 5. Juni gezeigt.)

Artikel vom 19.03.2005