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Leitartikel
Kiel, Düsseldorf, Berlin

Was zu viel ist,
ist zu viel


Von Rolf Dressler
Es begab sich unlängst wie von selbst bei einer persönlichen Besuchsbegegnung mit dem bajuwarischen Landesvater Edmund Stoiber. Die Augen des mexikanischen Staatspräsidenten Vicente Vox strahlten, als er frei heraus befand: Bayern und Mexiko passten vortrefflich zusammen, denn Bayern sei nun einmal der fröhlichste Teil Deutschlands.
Weit weniger gutgelaunt hingegen wäre der hochrangige Mexikaner wohl gewesen, hätte er zur selben Zeit auf diplomatischem Parkett die erste Frau unseres nördlichsten deutschen Bundeslandes getroffen, Schleswig-Holsteins politisch schwer angeschlagene Ministerpräsidentin Heide Simonis. Am gestrigen Kieler Donnerstag nun aber haben sich die Molltöne der letzten Wochen zu einem persönlichen Polit-Desaster für die forsche »Landesmutter« ausgewachsen.
Erst, so schien es, wollten Frau Simonis und ihre Berater ganz einfach nicht wahrhaben, was da im Parlament an der Förde heraufzog. Ungläubigkeit paarte sich mit Trotz. Den unerhörten »Abweichler«, den »Verräter« werden wir schon kriegen und zurückzwingen auf den Machterhaltungspfad und in die Parteiräson - daran klammerten sich viele Strategen der SPD offenbar selbst dann noch, als auch die zweite, dritte und vierte Abstimmung unentschieden 34 zu 34 ausgegangen waren.
Doch die Rechnung ging total daneben. Der unbekannte »böse« Abtrünnige bewies Mut und Stand(punkt)festigkeit, wollte sich augenscheinlich nicht damit zufriedengeben, der Chefin einen Denkzettel zu verpassen, um danach dann reumütig in den Schoß seiner SPD-Fraktion zurückzukehren.
Woraus durchaus geschlossen werden darf, dass dem- oder derjenigen bewusst ist, wie stark das wochenlange Minderheitenkoalitions-Duldungsgewürge in Kiel auch die Bundes-Partei und mit ihr die rot-grüne Regierung in Berlin beschädigte.
Insgeheim hatten Kanzler Gerhard Schröder und Genossen-Vormann Franz Müntefering gehofft, Heide Simonis werde sich unter Mithilfe des Südschleswigschen Wählerverbandes am Ende schon irgendwie für weitere fünf Jahre auf der Kieler Kommandobrücke (fest)halten können. Frei nach dem Motto der Pfeifer im dunklen Tann: Gewählt ist gewählt - mag die Konkurrenz ruhig zetern und zagen.
Einen folgenschweren Bärendienst hatte Heide Simonis ihrer Gesamtpartei aber schon in der Kieler Wahlnacht vom 20. Februar erwiesen. Als CDU und FDP vorübergehend bereits wie die Gewinner aussahen, entschlüpfte ihr der fast weinerliche Hilferuf-Seufzer: »... und was wird nun aus mir?« Gerade durch solche Äußerungen finden sich ungezählte frustrierte und genervte Wahlbürger in ihrer Beurteilung von Politik und Politikern nur noch zusätzlich bestätigt.
Real mehr als sieben Millionen Arbeitslose, Joschka Fischers Visa-Skandal und nun auch noch »Kiel« - der NRW-Wahlgang am 22. Mai könnte das Ende von Rot-Grün in Berlin einläuten.
Die Wahrscheinlichkeit wächst.

Artikel vom 18.03.2005