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Heides »schwärzester Tag«

Simonis' neues Bündnis scheitert schon bei der ersten Bewährungsprobe

Von Claus-Peter Tiemann
Kiel (AP). Am Ende wollte Heide Simonis nur noch weg. Nachdem sie vier Mal bei der Wahl zur Ministerpräsidentin durchgefallen war, blieb ihr Platz im Landtag von Schleswig-Holstein am Abend leer.
Scheinbar sitzt Heide Simonis noch an der Spitze des Landtags, aber tatsächlich läuft alles auf den Mann im Parkett, Peter-Harry Carstensen, zu.

Dabei musste Parlamentspräsident Martin Kayenburg noch den weiteren politischen Fahrplan in einem politisch zutiefst erschütterten Schleswig-Holstein bekanntgeben. Am 27. April will der Landtag wieder zusammenkommen, um dann möglicherweise einen neuen Ministerpräsidenten zu wählen.
Bilanz des Tages: Die politische Karriere von SPD-Star Simonis ist vorerst vorbei, die Partei steht vor dem Nichts, CDU-Fraktionschef Peter Harry Carstensen ist der Macht näher als je zuvor.
Es war ein bewegter Tag: Um 14.15 Uhr wurde das Gesicht von Heide Simonis zum ersten Mal zu Stein. »Für den Abgeordneten Carstensen haben gestimmt 34. Für die Abgeordnete Simonis haben gestimmt 34«, las der Landtagspräsident das Abstimmungsergebnis vor. Damit hatte die SPD-Politikerin auch im dritten Wahlgang die Mehrheit verfehlt.
Irgendwo im brüchigen Bündnis aus SPD, Grünen und dänischer Minderheitspartei SSW saß ein hartnäckiger Heckenschütze, der Simonis drei Mal hintereinander die Zustimmung verweigert hatte.
Manch anderer Politiker hätte jetzt aufgegeben. Nicht so Simonis. In einer langen Fraktionssitzung ließ sie sich davon überzeugen, es ein viertes Mal zu versuchen. Daran änderte auch nichts, dass die CDU einen Abgeordneten hinüberschickte, um das Angebot einer großen Koalition zu erneuern. Doch die SPD wollte es noch einmal wissen: In einer geheimen Probeabstimmung hatten alle Abgeordneten für Simonis gestimmt.
Doch um 16.20 Uhr ließ einer oder eine aus SPD, Grünen oder SSW sie ins kalte Messer laufen, verweigerte ihr zum vierten Mal die Gefolgschaft. SPD-Fraktionschef Lothar Hay machte klar, dass er gegen die Partner aus der tolerierten Koalition keinen Verdacht hege, offenbar sitzt der Verräter bei der SPD. Die CDU brauchte ein paar Sekunden, um ihren großen Erfolg zu begreifen. Dann lagen sich die Unions-Abgeordneten in den Armen. Zwar war auch Carstensen auch im vierten Wahlgang nicht gewählt, Rot-Grün aber erst einmal gescheitert.
Blass und zweifelnd hatte Simonis schon vor dem ersten Wahlgang ausgesehen. Den langen Weg von ihrem Platz in der ersten Reihe zur Wahlkabine schleppte sie sich hin. Fast schien es, als würde sie den von ihr verbreiteten Siegesparolen selber nicht glauben. Nur ab und zu sprach sie am Donnerstagvormittag im Kieler Landtag ein Wort zu ihrer Sitznachbarin Jutta Schümann, während der Regen gegen die Fenster prasselte und ein Wahlgang nach dem anderen angesetzt wurde.
Dabei hatte zunächst alles gut ausgesehen: Vor der Wahl des Ministerpräsidenten setzte sich die Koalition aus SPD, Grünen und die unterstützende Dänen-Partei SSW in einer Kampfabstimmung über die Geschäftsordnung gegen die Opposition durch. Allerdings war es keine geheime Abstimmung, der Heckenschütze musste also noch warten.
Die kalte Dusche kam 30 Minuten später, als Kayenburg das Ergebnis des ersten Wahlgangs vorlas: 34 Stimmen für Simonis, 33 für Carstensen. Für die Wahl wäre aber die absolute Mehrheit der 69 Abgeordneten nötig gewesen, also 35 Stimmen. Beide Kandidaten hatten jeweils einen Abweichler in ihren Reihen. Sofort standen Fraktionschefs und ihre engsten Helfer zusammen, versuchten die Reihen zu schließen.
Ohne Erfolg: Im zweiten Wahlgang holte Carstensen 34 Stimmen, also alle 30 CDU und 4 FDP-Stimmen. Simonis kam aber wieder nur auf 34. In dem Moment ging den meisten Kennern der Politszene im Norden auf, dass der Zug abgefahren war. Denn für einen Warnschuss hätte eine Verweigerung im ersten Wahlgang gereicht. Der dritte Wahlgang, wo die einfache Mehrheit gereicht hätte, war nur noch der Vollzug.
Nach 17 Jahren Regierung in Kiel lag die SPD im nördlichsten Bundesland darnieder. Hay nannte die Ereignisse den »schwärzesten Tag in der Geschichte der SPD in Schleswig-Holstein«.
Wie geht es jetzt weiter? Klar ist, dass es keine Neuwahlen gibt, denn dazu müsste sich der Landtag auflösen und dem werden die SPD-Abgeordneten aus Angst vor einer vernichtenden Niederlage nicht zustimmen. Bis zur nächsten Sitzung am 27. April geht es nun wieder von vorne los. Allerdings ist fraglich, ob der SSW dem zustimmt. Nach all den öffentlichen Prügeln der letzten Tage gibt es an der Basis der Dänen-Partei Zweifel daran, ob der Tolerierungskurs richtig war.

Artikel vom 18.03.2005