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Das Unglaubliche glauben

Gedanken zum Osterfest von Weihbischof Matthias König, Paderborn

Paderborns Weihbischof Matthias König: »Glaube ist Vertrauen in den Auferstandenen und seine Zeugen.«
Manchmal, wenn ich vor einer Trauergemeinde stehe und predige, schießt mir blitzartig ein Gedanke durch Kopf. Er hat mit dem zu tun, was ich in Zeitungen über den Auferstehungsglauben meiner Mitmenschen lese: Statistiken wollen glauben machen, dass mehr als fünfzig Prozent der Deutschen nicht mehr an ein Weiterleben nach dem Tode glauben können oder wollen. Da denke ich: Spreche ich jetzt auch zu einer Hörerschaft, von der die Hälfte für unglaublich hält, was ich vom christlichen Glauben her in dieser traurigen Situation weitergeben will? Sitzt da vor mir auch ein großer Prozentsatz von Ungläubigen?
Aber kann ein solches Thema, der Glaube an ein Weiterleben nach dem Tode, überhaupt statistisch erforscht werden?
Meine Erfahrung zeigt, dass sich viele Zeitgenossen erst mit diesem Thema beschäftigen, wenn sie mit dem Tod konfrontiert werden. Erst wenn ein Mensch aus der nahen Umgebung stirbt oder jemand selbst den Tod vor Augen hat, erst dann berührt es sie existenziell, ob sie an ein Weiterleben nach dem Tod glauben können oder wollen.

Das Unglaubliche glauben
1. Unglaublich

Christen feiern an Ostern den Sieg des Lebens über den Tod. In den vielen Gottesdiensten der kommenden Tage und Wochen kündet alles davon, dass mit dem Sterben eben nicht alles aus und vorbei ist: die Texte aus der Heiligen Schrift, die Lieder und Gebete, die Zeichen der Liturgie.
Aber ist das Unglaubliche dadurch leichter zu glauben? Unsere menschliche Erfahrung macht es uns schwer, ein Weiterleben nach dem Tod für wahr zu halten. Wer von Ihnen, liebe Leserin, lieber Leser, schon einmal einen Menschen durch den Tod verloren hat, der weiß, wie furchtbar die Erkenntnis ist: Er oder sie kommt nicht wieder. Ich werde nie mehr mit ihm oder ihr sprechen können, nie mehr das Gesicht sehen, das Lachen hören, die Stimme im Ohr haben. Nie mehr!
Der Tod zerreißt Beziehungen. Auf einmal ist jemand weg. Gemeinsame Pläne sind zunichte. Der Platz an meiner Seite, am Tisch, im Haus ist leer und füllt sich nicht wieder.
Unsere Wahrnehmung und unsere Sinne signalisieren im Grunde nur eines: Sterben und Tod bedeuten Ende und Aus. Ein Weiterleben anzunehmen ist eigentlich unglaublich!

2. Glauben dürfen

Und doch stellt sich seit nunmehr 2000 Jahren die Botschaft des Osterfestes gegen diese massiven Schwierigkeiten, die nicht zu leugnen sind. Diese Botschaft behauptet, mit dem Tod sei nicht alles vorbei. Im Gegenteil: mit dem Tod fange das Eigentliche erst wirklich an.
Doch zu sagen, die christliche Osterverkündigung »behauptet«, ist nicht ganz korrekt. Denn sie stellt ja keine unbewiesenen Behauptungen auf, sondern knüpft an Zeugnisse an. Menschen, die einen Toten suchen, erhalten die Botschaft, er lebe. In allen Evangelien ist das die zentrale Stelle im Zusammenhang mit Jesu Auferstehung, dass den Frauen, den Aposteln, dass Maria Magdalena gesagt wird: Der Tote ist nicht mehr im Grab. Er ist auferstanden und lebt. Sie selbst erfahren das in der Begegnung mit Jesus, der zwar verwandelt ist, aber dennoch derselbe, dem sie bis hierher gefolgt waren.
Seit damals wagen Menschen aus dem Glauben heraus den Blick über die Grenze des Todes - und entdecken dort: das Leben! Sie nähern sich diesem Glauben auf verschiedene Weise: der eine mit den Bildern und Begriffen, seines begrenzten Verstandes, der andere mit den Möglichkeiten der wissenschaftlichen Sprache. So äußerte zum Beispiel der bekannte Raketenforscher Wernher von Braun: »Ich glaube an die Unsterblichkeit der Seele. Die Wissenschaft hat uns bewiesen, dass sich nichts in nichts auflöst.« Trotzdem ist Glaube nie gleich Wissen. Glaube ist Vertrauen in den Auferstandenen und seine Zeugen. Glaube ist die Hoffnung, die sich jenseits der Grenzen des Verstandes und der Sinne auf die Suche macht. Gerade an Ostern werden wir zu solcher »Grenzüberschreitung« ermutigt.

3. Ostern:
Das Unglaubliche glauben

Wer jenseits dieser Grenze fündig wird, kann die Kraft des Glaubens erleben. Gewiss, der Auferstehungsglaube kann auch missbraucht werden, wie es in Palästina geschieht. Dort wird jungen Leuten, die bereit sind, sich selbst in die Luft zu sprengen und andere in den Tod zu reißen, versprochen, sie kämen dafür gleich in das Paradies. Um solch fehlgeleiteten Glauben an ein Leben jenseits des Todes geht es dem Christentum nicht.
Der Glaube an den Sieg Jesu über den Tod möchte vielmehr positive Kräfte in den Menschen freisetzen. Ich darf das immer wieder erleben, wenn ich Menschen in scheinbar aussichtslosen Situationen, etwa einer schweren Krankheit, begegne. Auch sie werden nicht von Phasen der Verzweiflung verschont. Doch das feste Vertrauen - jenseits des drohenden Sterbens geht es weiter - gibt ihnen manchmal eine solche Stärke und Festigkeit, dass sie ihre eigenen Angehörigen noch trösten und aufbauen können. Nicht selten bin ich der Beschenkte und Gestärkte, wenn ich als Priester solche Menschen begleitet habe. Das alte Sprichwort »Glaube kann Berge versetzen« erweist dann immer wieder seinen Wahrheitsgehalt.
An solchen Stellen wird für mich dann auch deutlich, was der christliche Begriff vom heilmachenden Glauben bedeutet: Menschen, die dem lebendigen Christus vertrauen, die sich an den Auferstandenen binden, erleben bis in die Körperlichkeit hinein, wie gut ihnen das tut. Ich komme in diesem Zusammenhang wieder auf die Statistik. Untersuchungen ergeben, dass gläubige Menschen in der Regel belastbarer und auch gesünder sind als jene, die nicht glauben können oder wollen. Eine interessante Beobachtung, die eigentlich Folgen haben müsste - zumal für unser geschwächtes Gesundheitssystem. Das Unglaubliche glauben. Ostern fordert uns dazu heraus. Seit 2000 Jahren prägen Menschen, die dieses Wagnis eingehen, diese Welt und ihr Angesicht. Seit 2000 Jahren wagen Christen das scheinbar Widersinnige: in einer Welt, die von Gewalt, Sünde und Tod geprägt ist, an die Überwindung dieser Dinge durch Jesus Christus festzuhalten.

Artikel vom 25.03.2005